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Karl Stutte

Völlig abwegig waren die Darstellungen Karl Stuttes zu seiner NSDAP-Mitgliedschaft, die er im Entnazifizierungsverfahren nach 1945 äußerte. Der 1897 in Essen geborene Kaufmann war am 1. Mai 1933 als Mitglied in die Staatspartei des "Dritten Reiches" aufgenommen worden. Nachdem er zunächst am 29. Dezember 1947 als nominelles Mitglied der NSDAP in Kategorie IV als Mitläufer eingestuft worden war, legte er am 13. Februar 1948 gegen diesen Bescheid Berufung ein. Dabei führte er aus:

»Es stimmt tatsächlich, dass ich im Jahre 1933 der NSDAP beigetreten bin und im Jahre 1935 der NSV. Dem gegenüber habe ich anzuführen: [Absatz]
1. Ich bin auf Grund einer Stammtischwette in die Partei "aufgenommen" und hatte nicht den Mut den Beitrag von 3,30 zu verweigern. Wohl hatte ich den Mut: [Absatz]
2. Konsequent jede Spende zu vermeiden, als mir das immer unmöglicher erschien, trat ich für den Beitrag von 1.- RM der NSV bei. [Absatz]
3. Niemals ein Parteiabzeichen oder derlei zu tragen und den Nazigruß, wo nur möglich, nicht anzuwenden. [Absatz]
4. Niemals eine Nazifahne zu zeigen oder irgendeinen Wandschmuck (Bilder) in meinem Haus zu dulden. [Absatz]
5. Mich ganz energisch dagegen zu wehren, den Posten des Blockleiters in meinem Bezirk zu übernehmen und die mir zugesandten Unterlagen zurückzusenden. M.W. ist der Herr, der diesen Posten dann wohl übernahm, zumindest nicht schlechter eingestuft worden als ich! [Absatz] Ich gestatte mir zu bemerken: [Absatz]
6. Ich bin das einzige Familienmitglied, das durch einen Dummen-Jungen-Streich, trotz positiver Einstellung gegen den Nationalsozialismus der NSDAP beigetreten ist. Meine Eltern und Geschwister sind altbewährte Antifaschisten, wie ich es, trotz der »Mitgliedschaft«, auch stets geblieben bin. Als Zeugen für meine unerschütterliche Haltung benenne ich Herrn Dr. Dr. F. M. Lenig, hier, Klosterstr. 21, dessen Vater bereits in mein elterliches Haus kam. [Absatz]
7. Durch diese meine Haltung habe ich erhebliche geschäftliche Verluste gehabt, z.B. wurde mir mein Geschäft lahm gelegt durch die Wegnahme der Speckverteilung, die ein stadtbekannter, wohlgelittener Nazi bekam, desgleichen wurde mir die Margarineverteilung zugunsten eines Nazis genommen. Mein Bruder Hermann ist wegen seiner Antinazischaft völlig aus dem Geschäft entfernt worden und ich musste ihn und seine Familie ernähren - bis auch ich durch Einberufung völlig ausgeschaltet wurde.«

Zur weiteren Begründung seiner Berufung gegen den Einreihungsbescheid führte Karl Stutte Folgendes an: "Ich bitte in Anbetracht der oben wahrheitsgemäß angegebenen Tatsachen, die doch ohne jeden Zweifel meine 'Mitgliedschaft' aufwiegen dürften, in Gruppe V eingestuft zu werden. Ich stelle diesen Antrag aus prinzipiellen Gründen, die darin gipfeln, dass ich nicht schlechter beurteilt zu werden wünsche wie weitaus stärker Belastete und nicht ebenso beurteilt zu werden wünsche wie dieser oder jener Nazi, der mir und den Meinen unter brutalster Ausnutzung seiner damaligen politischen Stellung das Leben unendlich schwer gemacht hat." Der Ausgang dieses Teils der Entnazifizierung ist leider nicht überliefert.

Quelle: Stefan Goch, Norbert Silberbach: Zwischen Blau und Weiß liegt Grau. Der FC Schalke 04 in der Zeit des Nationalsozialismus, Essen 2005. S.124-125


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Juli 2017.

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