STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


Stolpersteine Gelsenkirchen

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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Möbel-Aktion (M-Aktion; so genannte "Hollandmöbel" oder auch "Judenmöbel")

Geraubte Möbel auch für Gelsenkirchen

Abb.: Auch in Gelsenkirchen erhielten viele Volks- und Parteigenossen aus Holland, Belgien und Nordfrankreich geraubtes Wohnungsinventar aus vormals jüdischem Eigentum. Allein an die Gelsenkirchener Bevölkerung wurden in den Jahren 1942-1944 insgesamt 127 Waggons mit geraubten Einrichtungsgegenständen aus jüdischem Eigentum abgegeben. Teilweise wurde das Raubgut auch per Schiff nach Gelsenkirchen geschafft, im Stadthafen entladen und dort direkt an die per Verfügung positiv beschiedenen Antragsteller, meist so genannte "Fliegergeschädigte", verkauft bzww. ausgehändigt.

Mit der "Möbel-Aktion" bedienten sich die Nazis am Eigentum jüdischer Familien. Ihre Beute aus besetzten Gebieten verhökerten sie an deutsche Schnäppchenjäger. In sogenannten "M-Aktionen" verkauften die Nazis Möbel, die von deportierten bzw. geflohenen Juden zurückgelassen wurden. Teilweise stehen solche Möbel bis heute in deutschen Haushalten. Ein Thema, das bislang kaum beleuchtet wurde.

Die Plünderungen gehen zurück auf den NSDAP-Chefideologen Alfred Rosenberg, auf dessen Idee hin der Haushalt der geflüchteten und deportierten Juden etwa in Frankreich und den Beneluxstaaten konfisziert und verkauft wurde.

Die genauen Zahlen zu den Plünderungsaktionen des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg lassen sich nicht mehr beziffern, aber die Leistungsberichte geben darüber Auskunft, dass alleine in den Niederlanden etwa 29.000 Wohnungen geräumt worden sind und von der Dienststelle in Paris wird gesagt, dass es fast 70.000 Wohnungen waren. Das heißt: Diese Güter sind auf dem Wasserwege oder dem Schienenwege in das Deutsche Reich verbracht worden. "Hollandmöbel" wurden viele dieser Güter im amtlichen Schriftverkehr und auch im Volksmund genannt, weil viele auf Schiffen über Holland transportiert wurden. Die genaue Herkunft zu erforschen ist heute kaum mehr möglich, weil hier Provenienzforschung mit Alltagsgegenständen betrieben werden müsste und weil natürlich auch die meisten ehemaligen Besitzer nicht mehr leben.

Mit Hausrat von deportierten jüdischen Einwohnern beladene Schiffe in Amsterdam, 1943

Abb.: Mit Hausrat von deportierten jüdischen Einwohnern beladene Schiffe in Amsterdam, 18. März 1943. (National Archives/Collection Spaarnestad/ANP/Daan Noske)

Geraubte Möbel auch für Gelsenkirchen

Abb.: Das"Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete" wurde auch im Westen Europas tätig. Seine selbständige "Dienststelle Westen", auch als "Amt Westen" bekannt, raubte in der sogenannten "M-Aktion" Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände sowie wertvolle Textilien aus angeblich unbewachten jüdischen Wohnungen von geflohenen oder deportierten Juden in Frankreich und den Benelux-Ländern. Das Amt wurde am 17. April 1942 in Paris eingerichtet; von hier aus wurde weitere Abteilungen im ganzen Westraum geleitet. Der Leiter war Kurt von Behr.

In einem "Tätigkeitsbericht der Dienststelle Westen" wird dargestellt, dass in vielen Fällen "Erfassungsbeamte" z. B. in Paris von Haus zu Haus gingen, um verlassene Wohnungen geflohener Juden ausfindig zu machen, das Inventar aufzunehmen und die Tür zu versiegeln. Allein in Paris wurden über 38.000 Wohnungen erfasst.

Um etwaige Einsprüche und Irrtümer zu vermeiden, blieben die Wohnungen meist zwei bis drei Monate versiegelt, bevor ein Beamter des Transportkommandos mit Dolmetscher und Möbelpackern die Räumung vornahm.

Die Möbel, andere Wohnungseinrichtungsgegenstände, Geschirr, Kleidung und Wäsche usw. wurden in sechs "Warenhäusern" und Lagerhallen gesammelt. In drei von ihnen waren 800 Juden als Zwangsarbeiter zum Sortieren und Verpacken eingesperrt, sie wurden von SS-Einheiten bewacht. In angegliederten Werkstätten wurden die eingelieferten Gegenstände von Facharbeitern wie Tischlern, Kürschnern, Schuhmachern, Uhrmachern usw. instand gesetzt und anschließend verpackt. Zumeist wurde das Lager Aubervilliers, das über einen eigenen Gleisanschluss verfügte, für den Abtransport nach Deutschland genutzt.

Vgl.: Die "Aktion M" und die "Hollandmöbel" in Jever und Varel 1943/44 von Holger Frerichs (Schlossmuseum Jever)

Im Online-Archiv des Ghetto Fighters House Museum ist eine 15-seitige offizielle deutsche Korrespondenz über beschlagnahmte Möbel aus Charleroi, Belgien, die für Gelsenkirchen bestimmt waren, abrufbar. Hier exemplarische Dokumente aus dem Konvolut:

Ab 1942 hatte Kühne + Nagel dann in der sogenannten 'M-Aktion' (M steht für Möbel) eine Monopolstellung inne, um Möbel und Hausrat geflohener, deportierter und Jüdinnen und Juden aus den besetzten Westgebieten ins Deutsche Reich zu transportieren. Es ist die wohl dunkelste Epoche der Firmenhistorie.

Abb.: Kühne & Nagel half beim Abtransport von Möbeln deportierter Juden – und verdiente kräftig daran.

Mit Hausrat von deportierten jüdischen Einwohnern beladenes Schiff 'Amanda 2' erreicht den Hafen Gelsenkirchen am 9. Juni 1943

Abb.: Das Schiff "Amanda 2" traf aus Chaleroi kommend mit einer Ladung Möbel aus vormals jüdischen Eigentum am 9. Juni 1943 in Gelsenkirchen ein. An Bord: "eine Partie Möbel und Gebrauchsgegenstände sowie Küchengeräte, lose und in Kisten". Insgesamt 640 m³, Gewicht 30 Tonnen.

Mit Hausrat von deportierten jüdischen Einwohnern beladenes Schiff 'Clata' erreichte den Hafen Gelsenkirchen am 5. Juni 1943

Abb.: Der Oberbürgermeister Gelsenkirchens teilt mit, dass sich die Entladung der "Amanda 2" verzögert hat, da die Ladung "mit Ungeziefer behaftet war" und so die zuvor eingetroffene, ebenfalls mit Möbeln beladene "Clata" zuerst entladen wurde.


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Dezember 2024.

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