STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Reiner Lütterforst

Reiner Lütterforst war in verschiedenen Funktionen langjähriges Mitglied des Schalker Vereinsvorstandes und städtischer Beschäftigter in Gelsenkirchen. Als solcher sah er sich offensichtlich veranlasst, der NSDAP noch im Mai 1933 beizutreten (Mitgliedsnummer z.166.812), nachdem er zuvor nach eigenen Angaben keiner Partei angehört und Zentrum gewählt hatte. Reiner Lütterforst stammte aus dem Rheinland, er war am 30. Juni 1890 in Hochneukirch im Kreis Grevenbroich geboren worden. In München-Gladbach hatte er die Volksschule von 1896 bis 1904 besucht. Anschließend hatte er bis 1908 zunächst eine Lehre bei der Stadt- und Sparkasse in Traben-Trabach absolviert und dann dort auch gearbeitet.

Aus Traben-Trabach war er als Verwaltungsgehilfe zur Stadtverwaltung Gelsenkirchen gewechselt. 1913 hatte er bei der Stadtverwaltung Gelsenkirchen die Position eines Kassengehilfen bei der Steuerkasse erreicht. Obwohl er im Ersten Weltkrieg zum Militär eingezogen worden war, konnte er bei der Stadtverwaltung am 25. Oktober 1917 seine Assistentenprüfung ablegen. Nach Ende des Ersten Weltkrieges erreichte Reiner Lütterforst im Mai 1919 eine Anstellung als städtischer Beamter in der Funktion eines Kassenassistenten.

Reiner Lütterforst heiratet praktisch in die Schalker Vereinsfamilie ein: Am 14. Mai 1918 ehelichte er Franziska Unkel, die Tochter von Fritz Unkel und wurde damit Schwiegersohn der zentralen Führungspersönlichkeit des FC Gelsenkirchen-Schalke 04. Für den Verein war er Mitglied der Baukommission der Kampfbahn Glückauf und gehörte auch dem Vereinsvorstand an, der während der Sperre aus dem WSV ausgeschlossen wurde.

Während der Arbeit für den Fußballverein stieg Lütterforst in der Stadtverwaltung auf: Nach der Obersekretärprüfung im Juni 1922 wurde er Oberstadtsekretär und 1930 erlangte er die Position eines Stadtinspektors. Während des »Dritten Reiches« wurde er 1936 als Stadtinspektor höhergruppiert, Reiner Lütterforst aber zunächst nicht weiter befördert. Aufgrund seiner Tätigkeit in der Stadtverwaltung wurde Reiner Lütterforst während des Zweiten Weltkrieges »uk« gestellt. Der NSDAP galt Reiner Lütterforst als zuverlässig. Auf eine entsprechende Anfrage der Gelsenkirchener Stadtverwaltung vom 22. April 1944 teilte der »Leiter des Kreispersonalamtes« der NSDAP im Kreis Emscher-Lippe am 4. Mai 1944 über Reiner Lütterforst mit: "Der Obengenannte ist Mitglied der NSDAP seit dem 1.5.1933. Er gehört ferner der NSV und DAF an. [Absatz] Nach seinem bisher gezeigten Verhalten ist anzunehmen, dass L. sich jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einsetzen wird."

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus musste sich Lütterforst dann aber für seine NSDAP-Mitgliedschaft rechtfertigen. Zu seiner Mitgliedschaft in der NSDAP erklärte er in einem Schreiben an die Politische Prüfstelle bei der Gelsenkirchener Stadtverwaltung: "Seit dem Jahre 1913 bin ich Mitglied des FC. Schalke 04 und gehörte seit 1926 dem Vorstand an. Bei Erstehen des Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen im Jahre 1933 trat der Vorstand des FC. Schalke 04 geschlossen der NSDAP bei. Ich bin politisch nicht hervorgetreten und war nur ein zahlendes Mitglied der NSDAP. Ämter und Ränge habe ich nicht bekleidet." Lütterforst benannte auch verschiedene Zeugen für seine bloß nominelle Mitgliedschaft. Am 28. Juli 1947 stufte man ihn dann auch als politisch tragbar und nur nominelles Mitglied in Kategorie IV ein. Nach erneuter politischer Überprüfung am 15. September 1949 wurde er in Kategorie V als Entlasteter eingestuft. So konnte die Laufbahn bei der Gelsenkirchener Stadtverwaltung weitergehen. 1949 wurde Reiner Lütterforst zum Stadtoberinspektor ernannt, ab 1951 fungierte er als Leiter des Straßenverkehrsamtes. 1955 ging er in den Ruhestand. Reiner Lütterforst starb am 3. September 1968.

Quelle: Stefan Goch, Norbert Silberbach: Zwischen Blau und Weiß liegt Grau. Der FC Schalke 04 in der Zeit des Nationalsozialismus, Essen 2005. S.115-116


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Juli 2017.

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