STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

Stolpersteinverlegung in Gelsenkirchen - Redebeitrag von Ursula Möllenberg

Rede von Ursula Möllenberg anlässlich der Stolpersteinverlegung für Erich Lange
„Am Rundhöfchen“ in Gelsenkirchen, 1. August 2011

Ursula Möllenberg erinnert an Erich Lange bei der Verlegung von Stolpersteinen 2011

- Es gilt das gesprochene Wort -

Verehrte Anwesende, liebe Freunde,

wir sind froh und dankbar, dass nun an diesem zentralen Ort in Gelsenkirchen ein kleines Denkmal in Form eines Stolpersteins für Erich Lange besteht – und nicht nur an diesem Ort, sondern auch an seiner damaligen Wohnstätte. Erich Lange war eines der ersten Opfer der Faschisten in Gelsenkirchen. Er wurde hier, an dieser Stelle, am 22.3.1933 viehisch ermordet. Das geschah im Anschluss an einen Fackelzug, den die NSDAP veranstaltete, als Siegeszug für den Wahlsieg bei den Stadtratswahlen, bei denen sie 40 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Es hat im Vorfeld kritische Stimmen zur Verlegung eines Stolpersteins für Erich Lange gegeben, weil er in der SS gewesen war. Erich Lange hatte seinen Irrtum bald erkannt und war in den kommunistischen Jugendverband eingetreten, wohl wissend, dass er damit die „Vergeltung“ der Nazis auf sich zog, die seinen Schritt als „Verrat“ auffassten. Die Nazis übten brutale Rache; sie tobten sich regelrecht an dem wehrlosen Opfer aus. Die Leiche Erich Langes war so zugerichtet, dass sie von seinen Freunden und Verwandten kaum wiedererkannt werden konnte. Das hat uns unsere Freundin, die verstorbene Antifaschistin Rosa Eck, berichtet, die Erich Lange gut kannte, und der es heute eine besondere Genugtuung wäre, dass ihr Jugendfreund diese späte Ehrung erfährt.

Seit den Anfängen der Bundesrepublik, und in letzter Zeit verstärkt, werden Faschismus und Kommunismus gleichgesetzt. Das ist ein ideologisches Konstrukt, das von den wahren Ursachen des deutschen Faschismus und von der Unterstützung mächtiger Repräsentanten der bürgerlichen Gesellschaft für die Errichtung der Nazidiktatur ablenken soll. Es trägt dazu bei, dass der Faschismus verharmlost wird, und verhindert, dass Lehren aus der schrecklichen Vergangenheit gezogen werden.

Unsere heutige Gesellschaft ist wieder – wie damals – von verfestigter Massenarbeitslosigkeit und daraus resultierender Perspektivlosigkeit für große Teile der Jugend gekennzeichnet. Und es greift Rechtspopulismus um sich, wird gefördert und trifft auf immer größere Zustimmung. Nach wie vor treiben neonazistische Kräfte ihr Unwesen, ohne dass ihnen staatlicherseits das blutige Handwerk gelegt wird. 149 Todesopfer gehen bereits auf ihr Konto und trotzdem geht man sehr behutsam gegen sie vor, beschwört dabei immerzu die Gleichheit von Rechts- und Linksextremismus, die angeblich aus den Rändern der Gesellschaft kommen, obwohl die Rechtsentwicklung damals wie heute in der Mitte der Gesellschaft entsteht. Mit der Extremistenthese wird geheimdienstliche Überwachung und die alltägliche Diffamierung der Linken gerechtfertigt.

Die derzeitige Bundesregierung entblödet sich nicht, die finanzielle Unterstützung antifaschistischer Initiativen davon abhängig zu machen, dass sie sich von Links„extremisten“ distanzieren. Es ist eine verhängnisvollen Entwicklung, der sich alle Demokraten nachdrücklich in den Weg stellen und kompromisslos das Verbot jeglicher neofaschistischer Betätigung, wie es im Grundgesetzt verankert ist, fordern sollten. Als Antifaschisten sehen wir den nach dem barbarischen Zweiten Weltkrieg geleisteten Schwur antifaschistischen Schwur „Nie wieder“ als Vermächtnis an, und wir werden nicht aufhören, gemeinsam unsere Kraft aufzubieten, um ihn zu bekräftigen und ihm Geltung zu verschaffen.


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2011

↑ Seitenanfang