Stolpersteine Gelsenkirchen

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

KARL DELBECK

JG. 1898
IM WIDERSTAND

Der Gelsenkirchener Karl Delbeck war ein kommunistischer Widerständler und Angehöriger der Wider- standsgruppe Zielasko. Delbeck wurde im Juli 1944 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und sollte in München-Stadelheim hingerichtet werden. Karl Delbeck war einer der wenigen Überlebenden der Gelsenkirchener Widerständler um Franz Zielasko. Auf einem so genannten "Evakuierungsmarsch" vom Zuchthaus Straubing Richtung Dachau gelang ihm die Flucht.

Karl Labusch wurde am 11. September 1898 in Erle als uneheliches Kind geboren und wuchs zunächst bei seiner Großmutter auf. Durch seine Adoption änderte sich sein Familienname in Delbeck. Sein Bruder Johann erblickte 1902 das Licht der Welt. 1912 starb sein leiblicher Vater, er verunglückte im Bergbau. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete Karl Delbeck als Bergmann auf der Horster Zeche Nordstern. Im ersten Weltkrieg kämpft er an der Westfront, erlebt dort die Grausamkeiten des Krieges. Er wird Mitglied in der "Bergarbeiter-Union" und beteiligt sich im März/April 1920 am Generalstreik gegen die Errichtung einer faschistischen Militärdiktatur (Kapp-Putsch) in Deutschland.

1923 heiratet Karl Delbeck, sein erster Sohn wird im selben Jahr, der zweite 1924 geboren. Er ist Mitglied in der Gewerkschaft "Union der Hand- und Kopfarbeiter", setzt sich für die Rechte der Arbeiter ein. Ende der Zwanziger Jahre tritt der Gewerkschafter Karl Delbeck in die KPD ein und wirbt weitere Mitglieder für die Partei. Nach seiner Teilnahme an einem Streik zur Senkung der Mieten für Bergarbeiterwohnungen wird ihm die eigene Wohnung gekündigt.

Karl Delbeck (stehend, re. außen) war von 1930-1933 Vereinsvorsitzender von

Abb. 1: Karl Delbeck (stehend, re. außen) war von 1930-1933 Vereinsvorsitzender von "Roter Sportverein Fortuna Gelsenkirchen-Horst", das Foto entstand 1930.

Ein erster Höhepunkt der nach der Machtübergabe an die Nazis einsetzenden Verhaftungswelle von KPD-Funktionären lag schon vor der Reichstagswahl am 5. März 1933. Karls politische Freunde rieten dringend zur Flucht, da er zu dieser Zeit ein sehr bekannter KPD-Funktionär war. Bereits am 6. März floh Karl Delbeck nach Eindhoven in den Niederlanden. Nach den Verhaftungen 1933/1934 war die KPD geschwächt und so kehrte Karl Delbeck drei Monate später nach Deutschland zurück, um an der Reorganisation der KPD mitzuwirken. Eine Woche nach seiner Rückkehr wird er von der Gestapo erneut verhaftet und "wegen Vorbereitung zum Hochverrat" in Hamm vor Gericht gestellt.

Vom Oberlandesgericht unter Vorsitz von Dr. Crohne wird Karl Delbeck am 23. März 1934 zu 1 Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Mehrfach wird er nach Verbüßung der Haft wegen Unterstützung der KPD verhaftet, sitzt ohne Urteil bis 1938 in Gestapohaft, unter anderen in den Gefängnissen Gelsenkirchen und Münster. In dieser Zeit erleidet Delbeck schwerste Folter durch die Schergen der Gestapo, einer der Hauptakteure in Gelsenkirchen war der berüchtigte Gestapo-Henker Gustav Goray.

Nach der Haftentlassung 1938 wollte er wieder auf der Zeche Nordstern arbeiten, dort wollte man ihn jedoch nicht einstellen. In Düsseldorf fand Delbeck dann Arbeit als Eisenflechter. Am 27. August 1939 wurde er zur Ableistung von Zwangsarbeit auf der Zeche Nordstern dienstverpflichtet. Karl Delbeck verweigerte die Zwangsarbeit und kam für kurze Zeit wieder in Haft. Danach versuchten die Genossen auf Nordstern, die Rüstungsproduktion z.B. durch langsames Arbeiten zu sabotieren. Sie unterhielten Kontakte zur Roten Kapelle in Berlin und auch nach London.

Haftbefehl vom 26. Mai 1944, ausgestellt vom „Volksgerichtshof“ gegen die Angehörigen der Widerstandsgruppe Zielasko: Karl Delbeck, Andreas Schillack sen. u. jun., Karl Schuster, Josef Bayer, Frieda Funk, Karl Lomberg, Heinrich Hamm, Valentin Deinet

Abb. 2: Ausschnitt aus dem Haftbefehl vom 26. Mai 1944, ausgestellt vom "Volksgerichtshof" gegen die Angehörigen der Widerstandsgruppe Zielasko: hier Karl Delbeck.

1943 schließt sich auch Karl Delbeck der Widerstandsgruppe um den Kommunisten Franz Zielasko aus Gladbeck an, man will gemeinsam das Ende des faschistischen Krieges beschleunigen. Die Gruppe wird jedoch schon bald verraten, die Mitglieder im August 1943 verhaftet. Unter denen, die am 18. Juli 1944 durch das Urteil des "Volksgerichtshofes" - der zu dieser Zeit in Nürnberg tagte - zum Tode verurteilt wurden, befand sich auch Karl Delbeck.

 


"Der Frieden steht höher als der Krieg"

(Karl Lomberg nach Verkündung des Todesurteils am 18. Juli 1944)


 

Vollstreckungsanordnung des Todesurteils gegen Angehörige der Widerstandsgruppe Zielasko, darunter auch Karl Delbeck

Abb. 3: Vollstreckungsanordnung des Todesurteils gegen Angehörige der Widerstandsgruppe Zielasko

Im August 1944 wurden Karl Delbeck und die mit ihm zum Tode verurteilten Genossen zur Vollstreckung der Todesurteile in das Strafgefängnis München-Stadelheim gebracht.

Delbeck war mit Hamm und Deinert in einer Zelle untergebracht. Ein Pfarrer riet den Männern, Wiederaufnahmeanträge zu stellen, um so die Hinrichtung zu verzögern. Durch die von Rechtsanwalt Dr. Pfister beantragten Wiederaufnahmeverfahren wurden die Hinrichtungen von Karl Delbeck, Valentin Deinet und Heinrich Hamm in der Folgezeit immer wieder verschoben und kamen dann vor den Wirren des Zusammenbruchs der Gewaltherschaft nicht mehr zur Vollstreckung. Die anderen Genossen wurden jedoch hingerichtet, Karl Schuster erhängt sich am Abend vor der Hinrichtung in seiner Haftzelle.

Karl Delbecks Tochter schreibt in einer Email am 23. März 2012, Zitat:

(...) "Am 18.7.44 wurde er vom VGH in Nürnberg zum Tode verurteilt und sollte mit den anderen Verurteilten in München Stadelheim hingerichtet werden. Durch die Hilfe des katholischen Gefängnispfarrers Anton Maier, der sein Leben riskierte, und durch den antinazistisch eingestellten Rechtsanwalt Dr. Franz Pfister, hatte er zusammen mit seinen Essener Genossen Heinrich Hamm und Valentin Deinet das unglaubliche Glück, dass die Hinrichtung mehrmals hinausgeschoben werden konnte. Am 13. April 1944 wurden die Häftlinge, mit der Guillotine, in das Gefängnis Straubing gebracht, jedoch lehnte der dortige Direktor die Hinrichtungen ab. Auf Befehl der SS wurden 3000 entkräftete, frierende Häftlinge auf einen tagelangen Marsch Richtung Dachau geschickt. Karl ließ sich mit seinem mitgefesselten Kameraden in einen Straßengraben fallen. Bis zur Befreiung durch die Amerikaner am 29.4. wurden die beiden von einem Bauern versteckt." (...)

Karl Delbeck bleibt in Oberbayern und heiratet 1946 ein zweites Mal. 1947 wird eine Tochter und 1949 ein Sohn geboren. Einer seiner beiden Söhne aus erster Ehe starb im Krieg, der andere Sohn starb nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft an einer Lungenentzündung. Von 1949 bis weit in die 50er Jahre kämpfte Karl Delbeck um Wiedergutmachung für das in der NS-Zeit erlittene Unrecht. Karl Delbeck hatte den ganzen Rücken voller Narben durch die im Polizeigefängnis Gelsenkirchen erlittene Gestapo-Folter. Der Prozess gegen den Haupttäter Goray fand am 3. August 1948 statt. Die Westfalen-Post berichtete vom Prozess gegen den Gestapo-Henker Goray. Der Freidenker Karl Delbeck starb 1972.

Glückwunschkarte aus dem Gefängnis Gelsenkirchen

Rückseite

Abb. 4: Rückseite einer selbstgefertigten Glückwunschkarte, mit der die im Gefängnis Gelsenkirchen einsitzenden Mitglieder der Widerstandsgruppe Zielasko dem Sohn von Karl Lomberg am 4. Februar 1944 zur Hochzeit gratulieren. Auf der Karte findet sich auch die Unterschrift von Karl Delbeck.

Abbildungen:
Abb. 1: Foto aus Privatbesitz Familie Delbeck, mit mit freundlicher Genehmigung.
Abb. 2 u. 3: Archiv der VVN/BdA, Landesbezirk NRW. Widerstandsorganisation Zielasko
Abb. 4: Ernst Schmidt: "Lichter in der Finsternis. Widerstand und Verfolgung in Essen 1933-1945", Röderberg 1980. Darin: Karl Lomberg und die Zielasko-Gruppe, S. 166-174 ff.


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. März 2012. (Editiert 4/2022)

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