STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Arbeitsamt (Reichsbehörde)
Hauptamt Gelsenkirchen, Hindenburgstr. 39-41

Leiter des Arbeitsamtes: Oberregierungsrat Dr. Schmidt, Stellvertreter Dr. Trottenberg
Verwaltungs- u. Personalabteilung: Verwaltungsamtmann Retz
Abt. Arbeitseinsatz: Verwaltungsamtmann Müller
Abt. Arbeitslosenversicherung: Verwaltungsamtmann Gründler
Abt. Berufsberatung: Verwaltungsamtmann Dr. Schmülling
Kasse: Verwaltungsoberinspektor Stelten
Nebenstelle Buer, Ludwig-Knickmann-Str. 84
Übergeordnete Behörde: Präsident des Landesarbeitsamtes Westfalen in Dortmund

Quelle: Adressbuch Stadt Gelsenkirchen, Ausgabe 1939

Arbeitsamt im Nationalsozialismus

Arbeitsamt im Nationalsozialismus

Abb. 1: Plakat der NSDAP zur Arbeitsbeschaffung, Dresden, 1934. "Der Weg zur Arbeit durch das Arbeitsamt des neuen Staates" (Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv. Nr.: P 63/751)

Die Arbeitsämter hatten während des NS-Regimes weitgehende Vollmachten und Kontrollmöglichkeiten. Sie waren Arbeitseinsatzbehörden und wiesen Betrieben, die im Sinne der Aufrüstung als relevant galten, Arbeitskräfte zu. Sie legten Arbeitsbücher für alle Registrierten an, in denen Infos zur Person, Ausbildung und alle bisherigen Beschäftigungen festgehalten wurden. Ab 1934 konnte durch das Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes der Zuzug von Arbeitskräften in bestimmte Gebiete gesperrt und die Abwanderung landwirtschaftlicher Arbeiter untersagt werden. Ab 1938 war ein Arbeitsplatzwechsel genehmigungspflichtig, d.h. wer kündigen wollte, brauchte die Genehmigung des Arbeitsamtes. Das Amt konnte zudem Dienstverpflichtungen vornehmen, überwachte die Löhne und verhängte Strafen.[1]

Einige Monate nach der so genannten "Aktion Arbeitsscheu Reich" ordnete Friederich Syrup in seiner Funktion als Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium am 20. Dezember 1938 den "geschlossenen Arbeitseinsatz" aller erwerbslosen und sozialunterstützten Juden im Reichsgebiet an. Deutsche arbeitslose Juden (Die zumeist ja erst durch die NS-Rassengesetzgebung arbeitslos geworden waren) wurden gleich nach der Pogromwoche im November 1938 von den Arbeitsämtern bspw. zu Straßenarbeiten gezwungen. Man kann davon ausgehen, dass Reichsarbeitsminister Franz Seldte darüber informiert war, denn eine von ihm am 9. Juli 1940 verfügte Anordnung über die arbeitsrechtliche Behandlung der Juden besagte außerdem, dass diese Anordnung weder in den amtlichen Mitteilungen noch durch die Presse veröffentlicht werden durfte. Lediglich Betriebe, die Juden zwangsbeschäftigten, durften über diese arbeitsrechtlichen Bestimmungen informiert werden. Ab 1941 wurden Juden auch in der Industrie zwangsbeschäftigt; der Höchststand der jüdischen Zwangsarbeiter(innen) in Deutschland belief sich im Sommer 1941 auf ungefähr 51.000-53.000, danach folgte die Deportation zunächst in Gettos, dann in die Vernichtungslager.

Mit Beginn des Zwangsarbeitereinsatzes im September 1939 wurden auch die ausländischen Arbeitskräfte registriert und den rüstungswichtigen Betrieben zugewiesen. Anfang 1940 organisierten Mitarbeiter des Gelsenkirchener Arbeitsamtes die Verteilung der ersten polnischen Zwangsarbeiter auf Lager in Gelsenkirchen, kurze Zeit später folgen 673 französische Kriegsgefangene, die in einem Lager auf dem alten Flugplatz Rotthausen (heute Trabrennbahn) interniert waren. Verstöße der ausländischen Arbeitskräfte, wie spätes Erscheinen, Fehler bei der Arbeit, nicht den Anforderungen entsprechende Arbeitsleistung, wurden rigoros geahndet.[2] Ihnen drohte auf Veranlassung des Arbeitsamtes die Einweisung in ein so genanntes "Arbeitserziehungslager" oder ein Konzentrationslager.

Fluchtmeldung einer Zwangsarbeiterin, Durchschläge an Gestapo und Arbeitsamt Gelsenkirchen

Abb.: Fluchtmeldung der russischen Zwangsarbeiterin Nadegda Nicholina, Durchschläge gingen von der Gelsenkirchener Zementfabrik Ostermann&Comp. AG an Gestapo und Arbeitsamt Gelsenkirchen

Das Gelsenkirchener Arbeitsamt war dem in Münster ansässigen Landesarbeitsamt Westfalen-Nord, Arbeitsgau XVI, nachgeordnet. Beim Arbeitsamt Gelsenkirchen wurden die von den großen und kleinen Firmen und Privatpersonen "benötigten" Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen angefordert. Mehr als 40.000 Menschen verschiedener Nationalitäten mussten von 1940 bis 1945 für die Gelsenkirchener Kriegswirtschaft Zwangsarbeit leisten, womit sie zeitweise fast ein Drittel aller Beschäftigten in Gelsenkirchen stellten. Über das Arbeitsamt lief auch in Gelsenkirchen die zunächst freiwillige Vermittlung bzw. spätere Dienstverpflichtung von KZ-Aufseherinnen, die im Frauen-KZ Ravensbrück in einem zumeist zwei- bis dreiwöchigen "Lehrgang" ausgebildet wurden, bevor sie als Aufseherinnen in andere Lager gingen.

Arbeitsamt Gelsenkirchen: Liste Unterkünfte Ost- und Westarbeiter

Abb.: Arbeitsamt Gelsenkirchen: Liste Unterkünfte Ost- und Westarbeiter im Bezirk des Arbeitsamtes Gelsenkirchen". Ganze >> Liste

Quellen:
[1] Vgl. Klaus Schäfer, Arbeitsamt (Hildesheim)
[2] Vgl. Roland Schlenker, "Ihre Arbeitskraft ist auf das schärfste anzuspannen". Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterlager in Gelsenkirchen 1940-1945 (Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen, Materialien, Bd. 6), Essen 2003


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2017.

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