STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


Stolpersteine Gelsenkirchen

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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

"Ehrenmal" Gelsenkirchen-Buer

Das "Ehrenmal" Gelsenkirchen-Buer wurde am 13. Mai 1934 eingeweiht. Ursprünglich wurde es zur "Ehrung" der im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Buer sowie der Toten des "Ruhrkampfes" von 1923 geplant. Im so genannten "Ruhrkampf" verübten Nationalisten, ehemalige Freikorpsmitglieder und Kommunisten gemeinsam Sabotage- und Sprengstoffanschläge gegen die feindlichen, französisch-belgischen Besatzer. Insbesondere in der KPD war diese Taktik allerdings umstritten. Der Deutschlandexperte der Komintern Karl Radek verurteilte zwar die rechte Gesinnung der Saboteure, lobte aber deren Radikalismus, während andere jede verbale Nähe zum Ruhrkampf als nationalistisch ablehnten.

In der politischen Rechten wurde die Sabotage hingegen gefeiert. Die Besatzungsmacht wiederum reagierte mit Sühnemaßnahmen, die Situation eskalierte und forderte 137 Tote. Albert Leo Schlageter wurde wegen Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge als Abschreckung von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Schlageter wurde in der Weimarer Republik nach seiner Hinrichtung nicht nur von rechten Kreisen zur Märtyrerfigur erhoben, sondern erfuhr "über Parteigrenzen hinweg" in der deutschen Öffentlichkeit erhebliche Sympathien. Die NS-Propaganda machte aus Schlageter den "ersten Soldaten des Dritten Reiches" und begründete einen "Schlageter-Kult", dem in Gelsenkirchen der "Knickman-Kult" folgte.

Die Initiative für ein Buersches "Ehrenmal" ging 1925 zunächst von der Bueraner Bürgerschaft aus. Initiator des Ehrenmals war der damalige Branddirektor Buers und Vorsitzender des Schützenvereins Buer 1769, Jean Neukirchen. Hinter das Projekt stellten sich die Schützen-, Vaterländischen - und Kriegervereine, die freiwillige Feuerwehr, die Kirchen, die Stadtverwaltung sowie die Bergbauindustrie. Die lokale Presse warb in der Bevölkerung für Spenden. Am 7. August 1925 wurde die erste Spende in Höhe von 298,51 RM auf das Konto des "Ehrenmals" eingezahlt. Gleichwohl geriet die Spendenaktion nach der Zusammenlegung von Gelsenkirchen und Buer 1928 ins Stocken, die Bueraner wehrten sich dagegen, ein gesamtstädtisches Denkmal zu errichten. So wurden von 1925 bis 1931 insgesamt nur 6183,27 RM gespendet, diese Summe reichte bei Weitem nicht für den Bau des geplanten "Ehrenmals".

Erst durch die Machtübergabe an die Nationalsozialisten und die daraus folgende Propaganda (Aufruf: "Jedermann, dem die Nation in ihrer Größe vor die Seele getreten ist, soll wissen, dass seine Ehre an die Vollendung dieses Werkes verpfändet ist und soll danach handeln. Das Vaterland erwartet, dass jedermann seine Pflicht tut“.) kam wieder Bewegung in das Bauvorhaben. Die Bürger wurden von den Nazis zu Spenden aufgerufen und die Einnahmen des Projekts stiegen sprunghaft an. Für den Bau des "Ehrenmals" wurde ein Arbeitsausschuss und dann, 1933, ein Ehrenausschuss gebildet, der eine vollständige Liste aller zu vermerkenden Gefallenen aufstellen sollte. Jean Neukirchen war wiederum Vorsitzender im Arbeitsausschuss. Der erste Spatenstich fand am 26. Juli 1933 statt, die Grundsteinlegung erfolgte am 20. August 1933 und die Einweihung konnte dann am 13. Mai 1934 vorgenommen werden.

'Ehrenmal' in Gelsenkirchen-Buer

Das "Ehrenmal" in Buer, weithin sichtbares Zeichen des NS-Helden- und Totenkultes. (Foto:ISG)

Die Nazis prägten die Gestaltung des Denkmals, auf dem ein Hakenkreuz sowie Inschriften zu Ehren der zu "Märtyrern" der NSDAP stilisierten Ludwig Knickmann, Joseph Woltmann und wohl auch für Schlageter angebracht wurden. Die Einweihungsfeier des "Ehrenmals" zeigte die propagandistische Bedeutung des auf einer Anhöhe nahe dem Berger See, im Buerschen Grüngürtel erbauten "Kriegerdenkmals". Eröffnet wurde mit "Siegfrieds Tod und Trauermarsch" (Anspielung auf die Dolchstoßlegende) aus der Götterdämmerung von Richard Wagner. Anschließend folgten Lieder und Ansprachen von Geistlichen und am Ende wurde das "Ehrenmal" an Gelsenkirchens Oberbürgermeister Carl Böhmer übergeben.

Die Gesamtkosten für das innen begehbare, 18 Meter hohe Bauwerk, dessen Spitze von einer drei Meter breiten und fast anderthalb Tonnen schweren Feuerschale gekrönt wird, betrugen 25.300 RM. Darin enthalten auch die Gasleitung, die im inneren des Bauwerks bis hoch zur Feuerschale verlegt und dort eine "ewige Flamme" speisen sollte - ganz nach dem Vorbild der so genannten "ewigen Schlageter-Flamme" auf der Burgruine der Pfalz zu Kaiserswerth, die Baldur von Schirach im Mai 1933 einweihte.

Der am und auch mit dem "Ehrenmal" Buer inszenierte und zelebrierte NS-Helden- und Totenkult schloß neben Schlageter auch die Knickmann-Gedenkfeiern mit ein. Knickmanns Todestag war der 21. Juni, Ludwig Knickmann wurde jährlich zunächst auf dem Friedhof von Buer symbolisch "neu" beigesetzt und anschließend wurde am "Ehrenmal" weiter sein Tod zelebriert. Eine wichtige Rolle bei der Sakralisierung von Politik spielten im NS auch Rituale und Feste. Ein solches Fest war bspw. die Sonnenwendfeier, die ebenfalls am 21. Juni stattfand.

Während des genannten "Dritten Reiches war das "Ehrenmal" in Buer ein zentraler Ort für den NS-Helden und Totenkult. Regelmäßige Propagandaveranstaltungen verherrlichten den Kriegs- und Heldentod und sollten die Opferbereitschaft der „Volksgemeinschaft“ fördern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden alle Inschriften und Symbole entfernt, die auf die nationalsozialistische Vergangenheit hindeuteten.


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2017.

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