STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


Stolpersteine Gelsenkirchen

← Die Dabeigewesenen - A-D


Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Leiter des Fürsorgeamtes Fritz Capelle

Fritz Capelle war ein in seinem Lebenslauf recht typischer Gelsenkirchener Beamter. Er wurde am 21. Mai 1886 in Westerholt geboren. Nach dem Besuch einer katholischen Volksschule begann er im Jahr 1900 als ungelernte Kraft, also als "Büro-Hilfsarbeiter", beim Amt Buer zu arbeiten. Diese Tätigkeit war wohl die Voraussetzung dafür, daß er dann vom 1. April 1903 bis zum 1. April 1905 eine Bürolehre beim Amt Buer absolvieren durfte. Nach dieser Lehre arbeitete er zunächst drei Jahre, bis zum 1. April 1908 als Bürogehilfe im Registraturwesen und bei der Verwaltung der "Volksschulangelegenheiten" beim Amt Buer. Erst ab 1. April 1908 wurde Fritz Capelle mit einem ordentlichen Arbeitsvertrag beim Amt Buer beschäftigt, zunächst als Amtsassistent II. Klasse beim Armen- und Versicherungsbüro. Capelles endgültige Festanstellung erfolgte dann am 1. Mai 1909, die Anstellung auf Lebenszeit am 21. Mai 1916. Fritz Capelle arbeitete weiter beim Armen- bzw. Fürsorgebüro.

Nach den jeweiligen Verwaltungsprüfungen stieg Capelle am 1. April 1911 zum Amtsassistenten I. Klasse und am 1. April 19l4 zum Sekretär beim Armenbüro der Stadt Buer auf. Nach Beginn des Ersten Weltkrieges übernahm Capelle die Leitung der Armenverwaltung von Buer, das 1911 selbständige Stadt geworden war. Der Aufstieg Capelles zum Leiter der Armenverwaltung war wegen der Versetzung des bisherigen Bürovorstehers zum Kriegsunterstützungsamt möglich geworden. Seine im Krieg angesichts der Umstellung auf Kriegswirtschaft wichtige Aufgabe beim Fürsorgeamt bewahrte Fritz Capelle davor, Soldat werden zu müssen. Im November 1914 bat der Erste Bürgermeisters Buers die zuständigen Militärbehörden, eine Einberufung Capelles zurückzustellen, so daß Capelle während des Ersten Weltkriegs für die Stadtverwaltung Buer weiterarbeiten konnte. Noch während des Krieges, am 1. Juli 1918, erreichte Fritz Capelle die endgültige Übernahme des Bürovorsteherpostens, weil der vorherige Bürovorsteher endgültig ausschied. Seiner Aufgabe entsprechend wurde Capelle dann im Dezember 1918 zum Oberstadtsekretär befördert. Weitere Beförderungen folgten: im Dezember 1922 zum Bürooberinspektor, im Februar 1925 zum Stadtoberinspektor und ab 1927 zum Stadtamtmann.

Während der Weimarer Republik organisierte sich der aus katholischer Familie stammende Capelle im immer noch überwiegend katholischen Buer bei der Partei des politischen Katholizismus, der Zentrumspartei, deren Mitglied er 1921 wurde. Den Regimewechsel 1933 überstand Capelle offenbar ohne Probleme. Zunächst trat er nur einigen gleichgeschalteten bzw. NS-Organisationen bei - ab 1933 dem Reichsbund der Beamten, ab 1933 dem Reichsluftschutzbund, ab 1935 der NS-Volkswohlfahrt und ab 1936 dem Reichskolonialbund. Nachdem er wohl nach der Städtezusammenlegung von Gelsenkirchen, Buer und Horst im Jahr 1928 im neuen gesamtstädtischen Fürsorgeamt Abteilungsvorsteher in Buer gewesen war, wurde er 1935 Leiter des Fürsorgeamtes der Gesamtstadt.

Für diesen Aufstieg war offensichtlich nicht einmal die Mitgliedschaft in der NSDAP notwendig, denn erst ab 1. Mai 1937 gehörte Fritz Capelle der herrschenden Staatspartei an. 1940 erfolgre dann seine Beförderung zum Stadtoberamtmann. Noch wenige Tage vor der Besetzung Buers durch die vorrückenden amerikanischen Truppen im März 1945 gelang es Capelle nach einer längeren Erkrankung, wegen dauernder Dienstunfähigkeit zum 1. Juli 1945 in den Ruhestand versetzt zu werden. Als sich im Rahmen der Überprüfung der pensionierten Verwaltungsmitarbeiter der deutsche Entnazifizierungsausschuß in seiner Sitzung am 17. Januar 1947 mit dem Verhalten Fritz Capelles während des "Dritten Reiches" beschäftigte, wurden keine Vorwürfe gegen diesen erhoben und er "für jede Tätigkeit zugelassen". Fritz Capelle starb am 23. November 1948

Quelle: Stefan Goch "Mit einer Rückkehr nach hier ist nicht mehr zu rechnen" - Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während des "Dritten Reiches" im Raum Gelsenkirchen, Essen 1999. Leiter des Fürsorgeamtes Fritz Capelle, S.62-64.


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Juli 2017.

↑ Seitenanfang