STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Geheime Feldpolizei (GFP)

Maria Goetz

Abb.: Trotz ihrer Beteiligung an Kriegsverbrechen wurde die Geheime Feldpolizei (GFP) in den Nürnberger Prozessen nicht als verbrecherische Organisation eingestuft.

Die Führung der GFP lag bis 1942 ausschließlich in den Händen der Abwehr beim Oberkommando der Wehrmacht (OKW), dem der jeweilige Kommandeur der GFP unterstellt war. Ab diesem Zeitpunkt wurden die einzelnen Einsatzgruppen regional dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) der NSDAP untergeordnet, wobei die fachliche Anleitung und der Informationsfluss bei der Abwehr verblieb. Im Februar 1944 wurden Teile der Abwehr vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) übernommen, die Führung der GFP verblieb aber beim OKW. Dafür wurde der Bereich Truppenabwehr zuständig. Die operativen Einheiten der GFP waren Gruppen mit einer Sollstärke von 50 Mann, die vor dem Angriff auf die Sowjetunion auf 95 erhöht wurde. 1939 gab es beim Feldheer 15 Gruppen, 1942/1943 bereits 83, 1944 waren es noch 68. In einem militärtheoretischen Handbuch von 1936 wurde die Funktion der GFP knapp zusammengefasst: "Sonderpolizei für Kriegszwecke. Sie setzt im Kriege die Tätigkeit der politischen Polizei (Geheimen Staatspolizei) fort und dient der Abwehr von Schädigungen des Staates und Heeres." Von der geschichtswissenschaftlichen Forschung wird sie deshalb auch als "Gestapo der Wehrmacht" bezeichnet.

Die Gruppen wurden durch Feldpolizeibeamte geführt, die ausschließlich aus der Sicherheitspolizei, also der Gestapo oder der Kriminalpolizei später auch aus dem Sicherheitsdienst kamen und zur Wehrmacht abkommandiert waren. Sie führten die Dienstgrade der Sicherheitspolizei. Wehrmachtsangehörige, die in die GFP übernommen wurden, behielten ihren militärischen Dienstgrad. Ab Herbst 1942 waren alle Kräfte der Geheimen Feldpolizei regional dem Sicherheitsdienst der NSDAP unterstellt. Auf dem Territorium der Sowjetunion verstärkte sich die GFP durch einheimische Hilfswillige, sowjetische Kriegsgefangene sowie andere Kollaborateure unterschiedlichster Gesinnung. 1943 gehörten zu jeder GFP-Gruppe etwa 25 Hilfswillige. Hier erhielten die GFP-Gruppen noch einer Ergänzung durch mobile Sondereinheiten, die ausschließlich die Aufgabe der Partisanenbekämpfung hatten.

Trotz ihrer Beteiligung an Kriegsverbrechen wurde die Geheime Feldpolizei (GFP) in den Nürnberger Prozessen nicht als verbrecherische Organisation eingestuft, da zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenig Dokumente ihrer Tätigkeit verfügbar waren. Die zur Partisanenbekämpfung ab 1941 eingesetzten GFP-Sondertruppen praktizierten ab 1942, gemeinsam mit den SD-Einsatzgruppen, Massenexekutionen.

So wurden bei der Sonderaktion "Unternehmen Kugelblitz" Anfang 1943 allein 227 Partisanen und 406 unbeteiligte Zivilpersonen ermordet. Der Auftrag für die GFP-Gruppen beschränkte sich in den Kriegsjahren zunehmend seit 1941 nicht nur auf Informationsgewinnung und Vernehmungen. Im Nürnberger Prozess gegen das Oberkommando der Wehrmacht wurde ein dementsprechender Befehl des Generalstabs zitiert: "Zivilpersonen, die hinreichend der Spionage, Sabotage oder des Partisanentums verdächtig sind, sind nach Vernehmung durch die GFP zu erschießen. […] Knaben und junge Mädchen, die vom Gegner mit Vorliebe angesetzt werden, sind nicht auszuschließen." Wenn die „Partisanenverdächtigen“ nicht sofort nach den Verhören von der GFP selbst liquidiert wurden, wurden sie häufig zur "Weiterbehandlung" an die Einsatzkommandos des SD weitergegeben. Außerdem unterhielt jeder der GFP-Einsatzgruppen eigene Gefängnisse im jeweiligen Standort.

Die GFP wandte bei der Vernehmung Verdächtiger brutale Methoden, wie sie es aus ihrer Praxis bei der Gestapo gewohnt waren, wie Einsatz von Folterwerkzeugen, Koppeln, Gummischläuchen oder Peitschen an, um Geständnisse zu erzwingen. Exekutionen wurden anfangs beim Ic-Offizier des zuständigen Armeeoberkommandos der Wehrmacht beantragt und unmittelbar durch Genickschuss oder Schuss in den Rücken vollzogen. Das Ausmaß der Verbrechen der Geheimen Feldpolizei auf sowjetischem Territorium ist an einzelnen Standorten inzwischen durch die Öffnung sowjetischer Archive, statistisch ausgewertet. Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozesse bestätigten seit den 1970er Jahren immer mehr das Ausmaß der begangenen Kriegsverbrechen. So führte die GFP-Gruppe 723 von 1941 bis 1943 bei 10.462 Festgenommenen 3.100 Exekutionen durch. Am 10. April 1943 gab der Heeresfeldpolizeichef einen Überblick heraus, in dem er feststellte, dass wegen (nach ihrem Vokabular) "Bandenbetätigung und -begünstigung, Spionage und Sabotage […] von der GFP in der Zeit vom 1. Juli 1942 bis zum 31. März 1943 rund 21.000 Personen, teils im Kampf und teils nach Vernehmung, erschossen worden [sind]." Unter den Exekutierten befanden sich zu einem hohen Prozentsatz, vor allem in Bulgarien, Jugoslawien, Rumänien, der Sowjetunion und Ungarn, aus "rassischen Gründen" Verfolgte. Das betraf wegen ihrer Herkunft Juden und Roma, genauso auch Slawen und weitere nichtdeutsche Minderheiten.

Seit Ende 1944 war es eigentlich nur noch der subjektiven Wahrnehmung des jeweiligen GFP-Gruppenleiter überlassen, ohne Prüfung von Tatbestandsmerkmalen, ohne Anhörung der ihnen ins Fahndungsnetz geratenen "Verdächtigen", noch durch Hinzuziehung von Berechtigten der Militärgerichtsbarkeit, Liquidationen am Ort der Festnahme vorzunehmen. Das betraf vor allem Männer im wehrfähigen Alter, unabhängig von ihrer nationalen Herkunft. Urteilsvollstreckungen erfolgten fast ausschließlich in Form eines von GFP-Angehörigen vollzogenen Standgerichtes.

Der Leiter der Geheimen Feldpolizei-Gruppe 570, Feldpolizeikommissar Heinz Riedel, ließ Ende April 1944 einen Lastkraftwagen zu einem Vergasungswagen umbauen. Durch eine besondere Konstruktion wurden die Auspuffgase des Motors in das Innere des abgeschlossenen Kastenaufbaus geleitet. Der Wagen fuhr zwei bis drei Kilometer durch die Umgebung Mogilews; die an den Auspuffgasen Erstickten wurden in Gruben verscharrt.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat 2012 entschieden, dass eine hauptamtliche und auch nicht völlig untergeordnete Tätigkeit für die Geheime Feldpolizei regelmäßig eine tatsächliche Vermutung (Indizwirkung) dafür begründet, dass durch diese Tätigkeit dem nationalsozialistischen Unrechtssystem im Sinne des § 1 Abs. 4 AusglLeistG erheblich Vorschub geleistet worden ist.


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Dezember 2024.

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