STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Hans Brüner

Mit dem näher rückenden Frontverlauf intensivierten sich im Juli und August die Selektionen im KL Kaiserwald, die vorwiegend Insassen unter 15 und über 50 Jahren trafen. Im Spätsommer stand das Lager in voller Auflösung. Seit April waren zwei Teilkommandos aus SD-Beamten und Ordnungspolizei in Lettland im Rahmen der Aktion 1005, der sogenannten Enterdungsaktion unter Leitung von Paul Blobel, welche die Spuren des Massenmordens beseitigen sollte, im Einsatz. Jüdische Arbeitskommandos mussten unter anderem - beaufsichtigt von Hans Brüner u.a. - in den Wäldern von Rumbula und Bikernieki die Leichen exhumieren, sie verbrennen, die Knochen zermalmen oder zermahlen und anschließend die Asche verstreuen. Nach Beendigung der Aktionen wurden die jüdischen Häftlinge exekutiert.

Hans Brüner

Abb.: Anklage gegen den ehemaligen Hauptscharführer [sic] Brünner, März 1948; in: WIENER LIBRARY (London), P III h No.1023/c.

Gemeinsam mit zwei Mithäftlingen aus dem KL Kaiserwald, Kurt Steinweg und Herbert Winter, legte Günter Wallhausen im März 1948 der Association of Baltic Jews in Great Britain eine eidesstattliche Aussage gegen den SS-Hauptscharführer Hans Brüner vor. Brüner war seinerzeit Rapportleiter und Leiter des Arbeitseinsatzes. Er war ebenfalls an der Selektion der Häftlinge beteiligt, zuletzt beaufsichtigte er die 'Aktion 1005'. Die drei Überlebenden erklärten: "Seine Hauptaufgabe bestand darin, die Todestransporte zusammenzustellen. Er füllte immer das Kommando 1005 auf, das unter der Leitung eines Sturmführers Blobel stand. Diese unglücklichen Menschen mussten die Gräber von erschossenen Juden und Kriegsgefangenen ausgraben und dann die Leichen verbrennen, damit jede Spur verschwand. Die Angehörigen dieses Kommandos durften selber nie mehr lebend zurückkommen."

(...) Bei Inhaftierungen im Bunker handelte es sich häufig um willkürliche "Strafmaßnahmen" gegen vermeintlich aufsässige Häftlinge, in Kaiserwald befohlen durch den "Innenminister" des Lagers, dem stellvertretenden KZ-Kommandanten und berüchtigten Folterer Hans Brüner. SS-Hauptscharführer Brüner soll trotz seiner Beteiligung an "Selektionen im Stammlager und in den Außenlagern" nach dem Krieg "unbehelligt in Deutschland gelebt haben und noch vor der Aufnahme der Ermittlungen gegen den Führungsstab des KZ Kaiserwald 1978 am 2. März 1967 in Lüdenscheid verstorben sein". (...)

1: https://www.rosenland-lippe.de/wp-content/uploads/2021/12/Rosenland-26.pdf
2: Hier handelt es sich um den SS-Standartenführer Paul Blobel (1894-1951). Er war ab Sommer 1941 Führer des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C, das bis Januar 1942 etwa 60.000 Juden ermordete, davon allein 30.000 Ende September 1941 in der Schlucht von Babyn Jar bei Kiew. Im Sommer 1942 wurde er mit der Sonderaktion 1005 betraut. Blobel wurde im Einsatzgruppenprozess 1948 zum Tode verurteilt und 1951 gehängt. S. auch ANGRICK/KLEIN 2006, 416-419, 426-428.


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. November 2018.

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