STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN
Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945

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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen
Paul Blobel
 Abb.: Paul Blobel in SS-Uniform - die Kleidung, die er bei seinen Verbrechen trug.
Von 1933 bis zum Frühjahr 1935 war Wilhelm Hermann Paul Blobel einfacher Büroangestellter in der Stadtverwaltung von Solingen. Im Juni 1935 trat er in den SS-Sicherheitsdienst (SD) ein und machte dort schnell Karriere bis zum SD-Abschnittsführer von Düsseldorf. Im Rahmen der Novemberpogrome 1938 koordinierte er die Sicherstellung der Materialien aus zerstörten Synagogen in Solingen, Wuppertal und Remscheid.
Beim Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde Blobel als SS-Standartenführer zum Führer des Sonderkommandos 4a (SK 4a) der Einsatzgruppe C ernannt, die im Operationsgebiet der Heeresgruppe Süd hinter der Front eingesetzt war.
Bis Januar 1942 ermordete das SK 4a entsprechend dem Auftrag an die Einsatzgruppen ca. 60.000 Menschen, darunter allein ca. 30.000 Juden am 29. und 30. September 1941 in der Schlucht von Babyn Jar bei Kiew. Blobel führte das Sk 4a bis Januar 1942. In den entsprechenden "Ereignismeldungen UdSSR" aus diesem Zeitraum meldete die Einsatzgruppe C für das Sonderkommando 4a bzw. dessen Teilkommandos folgende Erschießungen:
vom 22. Juni bis 29. Juli 1941 bei Schitomir: "2.531 Personen",
vom 27. Juni bis 29. Juni 1941 bei Sokal und Lutsk: "300 Juden und 317 Kommunisten",
im Juli oder August 1941 in Fastow: "alle Juden im Alter zwischen 12 und 60 Jahren",
im September oder Oktober 1941 auf dem Marschweg zwischen Wirna und Dederow : "32 Zigeuner",
am 29. und 30. September 1941 in Kiew (Babyn Jar) zusammen mit dem Stab der Einsatzgruppe C und Polizeieinheiten wie z.B. die Polizei-Batallione 45 u. 303: "33.771 Juden",
am 8. Oktober 1941 in Jagotin: "125 Juden",
vom 22. Juni bis 12. Oktober 1941 im Einsatzgebiet des Sonderkommandos: "mehr als 51.000 Personen", (Summarische Meldung, die die vorher gemeldeten Opferzahlen kumuliert enthält)
am 16. Oktober 1941 in Lubny" 1.800 Personen",
und am 23. November 1941 in Poltawa: "1.538 Juden".
Nach Ablösung als Führer des SK 4a am 13. Januar 1942 – offiziell wegen nicht näher bezeichneter gesundheitlicher Probleme, hinter denen sich sein Alkoholismus verbarg – wurde er im Juni 1942 vom Chef der Gestapo, Gruppenführer Heinrich Müller, mit der Aufgabe betraut, die Spuren der Verbrechen der Einsatzgruppen, d. h. die Massengräber, zu beseitigen. Als sein Adjutant war ab Sommer 1943 Arthur Harder (1910–1964) eingesetzt. Es handelte sich hierbei um die sogenannte "Sonderaktion 1005", die auch als "Enterdungsaktion" bezeichnet wurde. Die entsprechende Anordnung wurde nur mündlich gegeben. Jeglicher Schriftverkehr über diesen Auftrag wurde untersagt. Arbeitseinheiten mussten die Massengräber öffnen und die Leichen in Gruben und auf Scheiterhaufen verbrennen.
Im Juni 1942 sollte Blobel die Spuren der Exekutionen in Babyn Jar beseitigen und befahl die Einäscherung eines Massengrabes, das zwei Tage lang brannte. Der Versuch, die Leichen durch Sprengung zu beseitigen, misslang.
Zu Beginn wurde erprobt, auf welche Art und Weise die Mordspuren am geeignetsten verwischt und die Identifizierung der Opfer unmöglich gemacht werden konnte. Ziel der Aktion war neben dem Verwischen von Spuren der von den SS-Einsatzgruppen begangenen Massenmorde die Eindämmung von Gesundheitsgefahren durch die massenhaft verscharrten Leichen. Dies gelang aufgrund des schnellen Vorrückens der Roten Armee nur teilweise.
Im Einsatzgruppen-Prozess gegen Otto Ohlendorf und andere (Fall 9 der Nürnberger Nachfolgeprozesse) wurde Blobel wegen I. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, II. Kriegsverbrechen und III. Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation angeklagt. Konkret wurde ihm die Ermordung von 60.000 Menschen unter seiner Verantwortung zwischen Juni 1941 und Januar 1942 vorgeworfen. Sein Verteidiger war Willi Heim (Ab 1. Mai 1937 NSDAP, Mitgliedsnummer 5.498.015).
Zu seiner Verteidigung brachte Blobel vor, dass das Sonderkommando 4a unter seiner Führung nicht 60.000, sondern maximal 10.000 bis 15.000 Menschen erschossen habe. Zudem sei die "Hinrichtung von Agenten, Partisanen, Saboteuren, von der Spionage und Sabotage verdächtigen Elementen und solcher Personen, die das Deutsche Heer schädigten", von der Haager Konvention gedeckt. Das Gericht folgte seinen Ausführungen nicht, sondern sprach ihn in allen drei Anklagepunkten schuldig. Das Strafmaß wurde am 10. April 1948 auf Tod durch den Strang festgesetzt. Neben Blobel wurden in dem Prozess noch 13 andere hochrangige Einsatzgruppen-Führer zum Tode verurteilt. Am 7. Juni 1951 wurde Blobel in der Strafanstalt Landsberg am Lech gehängt.
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Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Dezember 2024.
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