STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

← STOLPERSTEINE Gelsenkirchen

HIER WOHNTE

Verlegeort ERNA GOLDBACH

JG. 1891
DEPORTIERT 1942
RIGA
1943 RIGA-KAISERWALD
ERMORDET JULI 1944

Verlegt 6. März 2023, Ort: Bahnhofsvorplatz 6 Eingang Bahnhofscenter (frühere Hindenburgstr. 9)

Adressbuch Gelsenkirchen, Ausgabe 1939<

Abb. 1: Adressbuch Gelsenkirchen, Ausgabe 1939

Die am 18. Februar 1891 in Dortmund-Brackel geborene Erna Goldbach war von Beruf Lehrerin. Ihre Ausbildung absolvierte an der städtischen Lehrerinnenbildungsanstalt Dortmund. Sie unterrichtete in den 1930er Jahren an der Jüdischen Schule (Israelitische Volksschule) an der Ringstr. 44 in Gelsenkirchen.

Gruppenfoto der jüdischen Schüler anlässlich der Pensionierung von Lehrer Katz (1),links daneben Lehrerin Goldbach (2), rechts Hauptlehrer Spier (3)

Abb. 2: Gruppenfoto jüdischer Schüler:innen der jüdischen Schule an der Ringstraße 44 anlässlich der Pensionierung von Lehrer Salomon Katz (1),links daneben Lehrerin Erna Goldbach (2), rechts Hauptlehrer Saly Spier (3), 1932.

Seit der Verselbstständigung der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen war diese bemüht, eine eigene Volkschule zu unterhalten. Es gelang, eine Volksschule an der damaligen Neustraße einzurichten. Ab 1893 wurde aufgrund der wachsenden Zahl der jüdischen Bevölkerung Gelsenkirchens mit der Errichtung einer Schule an der Ringstraße 44 begonnen. Bereits 1907 mußte das Gebäude mit der weiter wachsenden Schülerzahl erweitert werden. Bis zum Jahr 1936 wurden in dieser Schule in drei Klassen bis zu 155 Kinder unterrichtet.

Abb. 3: Entlassungszeugnis  der Israelitischen Schule Josefstrasse in Gelsenkirchen für Günther Kaufmann vom 24. März 1937. Zum Vergrößern anklicken.

Abb. 3: Entlassungszeugnis 1937 der Israelitischen Schule Josefstrasse Gelsenkirchen für Günther Kaufmann vom 24. März 1937. (Zum Vergrößern anklicken)

Durch die Flucht zahlreicher Familien aus Nazi-Deutschland sank die Zahl der jüdischen Schülerinnen und Schüler erheblich. Mitte der Dreißiger Jahre wurde die Schule an der Ringstraße auf Druck der braunen Machthaber geschlossen. Auch von den weiterführenden Schulen und den Volksschulen bspw. in Buer wurden die jüdische Kinder vertrieben. In einem alten Schulgebäude an der Josefstraße 14 in der Neustadt wurde dann die Israelitische Volksschule eingerichtet. Hier sammelten sich die jüdischen Kinder und Jugendlichen, dort wurde versucht, für die unterschiedlichen Jahrgänge eine Erfüllung der Schulpflicht möglich zu machen. Ende 1937 besuchten etwa 60% aller noch in Deutschland lebenden jüdischen Kinder jüdische Schulen. Reichsweit wurden jüdische Schülerinnen und Schüler nach der Pogromwoche vom 7. bis 16. November 1938 endgültig aus den öffentlichen Schulen ausgeschlossen.

 Jüdische Schule Gelsenkirchen, Ringstr. 44 (Im 2. Weltkrieg zerstört)

Abb. 3: Vorderansicht der Jüdischen Schule an der Ringstraße 44, Bauplan von 1893 (im Zweiten Weltkrieg zerstört)

Der 1939 mit einem der Kindertransporte nach Schweden gerettete Gelsenkirchener Ernst Back berichte 2013 in seinen lebensgeschichtlichen Erinnerungen:

"(...) Schon Anfang der 30er Jahre wurd alles schwerer, Ich, Ernst Back ging - wohl 1931- zur jüdischen Schule an der Ringstraße. Kurz davor wurde ich von drei größeren Jungen überfallen, festgehalten und ins Gesicht geschlagen. "Du bist ein Judas Iskariot, ihr habt unseren Jesus getötet, hier kriegst Du". Ich verstand garnichts, ich kannte nur das Alte Testament. In der Jüdischen Schule wischte mir meine Lehrerin Fräulein Erna Goldbach das Nasenblut aus dem Gesicht. Sie wurde in Riga 1943/44 erschossen.(...)"

Der Lebensweg von Erna Goldbach sowie ihren damit verbundenen beruflichen Werdegang können wir nicht darstellen, beim hiesigen Stadtarchiv sind keine Akten der damaligen jüdischen Volksschule bzw. Personalakten der jüdischen Lehrkräfte an dieser Schule überliefert. So wissen wir bspw. nicht, ob Erna Goldbach nach der Machtübergabe an die Nazis aus rassistischen Gründen aus dem Schuldienst entlassen oder mit einem Berufsverbot belegt worden ist.

Brief der Recklinghäuser Schülerin Ruth Marcus an den ehemaligen Lehrer Erich Jakobs (nach der Flucht des jüdischen Lehrers Erich Jakobs aus Recklinghausen im Dezember 1938 müssen die verbleben Schüler täglich von Recklinghausen nach Gelsenkirchen pendeln.

Abb. 4: Brief der Recklinghäuser Schülerin Ruth Marcus an den ehemaligen Lehrer Erich Jakobs (nach der Flucht des jüdischen Lehrers Erich Jakobs aus Recklinghausen im Dezember 1938 müssen die verbliebenen Schüler täglich von Recklinghausen nach Gelsenkirchen pendeln. Während eines Karankenhausaufenthalts von Lehrer Abraham Weinstock im Dezember 1941 unterrichtet Erna Goldbach alle jüdischen Kinder an der Israelitischen Schule Josefstraße.")

Im Gelsenkirchener Adressbuch von 1939 wird als Wohnanschrift der alleinstehenden Erna Goldbach Hindenburgstraße 9 (heutige Husemannstraße) genannt. Einige Monate später erfolgte ihr Zwangsumzug in eines der Gelsenkirchener Ghettohäuser (so genannte "Judenhäuser") an der Hindenburgstraße 41, von dort wurde sie am 27. Januar 1942 von Gelsenkirchen zunächst in das Ghetto Riga deportiert. Erna Goldbach wurde im Juli 1944 im Zuge der Auflösung des KZ Kaiserwald in Riga ermordet.

Quellen/Abbildungen:
1: Adressbuch Gelsenkirchen. Ausgabe 1939
2: Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen
3: Stadt Gelsenkirchen, Hausaktenregistratur, Akte Ringstraße 44
4: Spuren im Vest - Juden im Vest Recklinghausen

Biografische Zusammenstellung: Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Januar 2023

Stolperstein für Erna Goldbach, verlegt am 6. März 2023 in Gelsenkirchen

Stolpersteine Gelsenkirchen - Erna Goldbach


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen, 3/2023

↑ Seitenanfang