STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

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Verlegeort HENRIETTE BREUER

GEB. SELIGMANN
JG. 1873
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
BEFREIT

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Verlegeort ELFRIEDE PRÜFKE

GEB. BREUER
JG. 1901
VERHAFTET SEPT. 1944
ZWANGSARBEIT
FRAUENLAGER ELBEN
'ORGANISATION TODT'
BEFREIT

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Verlegeort LUISE TODTENKOPF

GEB. BREUER
GESCH. SPIELMANN
JG. 1902
FLUCHT 1942 FRANKREICH
VERHAFTET MÄRZ 1942
KZ RAVENSBRÜCK
DEPORTIERT AUSCHWITZ
ERMORDET 4.11.1942

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Verlegeort MARGOT SPIELMANN

JG. 1926
FLUCHT 1942 FRANKREICH
SCHICKSAL UNBEKANNT

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Verlegeort KURT TODTENKOPF

JG. 1906
FLUCHT 1942 FRANKREICH
VERHAFTET MÄRZ 1942
DEPORTIERT KZ BUCHENWALD
ERMORDET 22.8.1942

Verlegung geplant 2024, Verlegeort: Augustastr. 7, 45879 Gelsenkirchen

Um die Jahrhundertwende erwarb der jüdische Klempner und Installateur Arnold Cohen das Haus in der Augustastraße 5 (später Augustastraße 7). Bis zur Enteignung 1939 durch die Stadt Gelsenkirchen blieb es im Besitz der Familie Cohen.

Im September 1935 zog Henriette Breuer (geb. Seligmann, geb. 24.01.1873 in Werden, gest. 21.08.1956 in Gelsenkirchen), in die Augustastraße 7 ein. Nach 35 Jahren hatte sich ihr Mann Wilhelm (geb. 09.10.1874 in Viersen, gest. 09.10.1948 in Brenkhausen), Maschinenbetriebsleiter am städtischen Schlachthof und nicht jüdischer Herkunft wie seine Frau, von ihr getrennt und Henriette verließ die gemeinsame Wohnung in der Feldstraße 42 (heute Grothusstraße). Hier hatte das Paar seit 1912 mit seinen drei Töchtern Elfriede (verh. Prüfke, geb. 02.02.1901 in Werden, gest. 04.01.1980 in Jülich), Luise (gesch. Spielmann, verh. Todtenkopf, geb. 18.09.1902 in Werden, ermordet am 04.11.1942 in Auschwitz) und Erna (verh. Heiber, geb. 07.04.1904 in Werden) gelebt, bis diese eigene berufliche und familiäre Wege einschlugen.

Silberhochzeit der Eheleute Henriette und Wilhelm Breuer 1925. In der Mitte die drei Töchter Erna, Elfriede und Luise

Abb.:1 Silberhochzeit der Eheleute Henriette und Wilhelm Breuer 1925. In der Mitte die drei Töchter Erna, Elfriede und Luise (Foto: Familie Bücher/Wenz).

Luise Todtenkopf mit ihrer Tochter Margot Spielmann, Aufnahmedatum nicht bekannt

Abb.2: Luise Todtenkopf mit ihrer Tochter Margot Spielmann o. J., Foto: Familie Bücher/Wenz.

Mit Henriette zog auch Luise und deren Tochter Margot Spielmann (geb. 21.05.1926 in Gelsenkirchen, verschollen 1942/1943) in die Augustastraße. Luise hatte 1927 den jüdischen Kaufmann Josef Spielmann (geb. 27.08.1900 in Köln, deportiert nach Auschwitz 21.01.1945) geheiratet; doch das Paar hatte sich schon kurze Zeit nach der Hochzeit getrennt und Luise lebte mit ihrer Tochter wieder bei ihren Eltern.

Margot besuchte die jüdische Volksschule Gelsenkirchen in der Ringstraße und war Mitglied im Turnverein des Reichsbunds Jüdischer Frontsoldaten Gelsenkirchen.

Es stellte sich früh heraus, dass Margot zuckerkrank war und regelmäßig Insulin brauchte. Die medizinische Versorgung der jüdischen Bevölkerung war mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten immer schlechter geworden. Das Insulin zu bekommen war eine immense Herausforderung. Doch der Familie wurde unerwartet Hilfe zuteil. Ein Nachbar in der Augustastraße 7, Emil Bröcker, war nicht jüdischer Herkunft und machte es sich zur Aufgabe, das tägliche Insulin für Margot zu besorgen. Von 1930 bis Juli 1940 wohnte er in der Augustastraße 7.

Elfriede Prüfke mit ihren Töchtern Ottilie, Klara und Margot und ihrer Nichte Margot Spielmann (2. von rechts)

Abb.3: Elfriede Prüfke mit ihren Töchtern Ottilie, Klara und Margot und ihrer Nichte Margot Spielmann (2. von rechts) o. J. Foto: Familie Bücher/Wenz.

Im April 1940 wurde die Ehe zwischen Henriette und Wilhelm Breuer geschieden. Durch die Scheidung wurde Henriette im nationalsozialistischen Verständnis zur „Volljüdin“. Auch ihre Töchter – besonders Luise – gerieten durch die Scheidung ihrer Eltern in große Gefahr. Henriettes jüngste Tochter Erna war bereits 1938 mit ihrem jüdischen Mann Norbert Heiber (geb. 12.12.1912 in Braunschweig) nach Brasilien ausgewandert und damit in Sicherheit. Henriettes älteste Tochter Elfriede war durch ihre Ehe mit Kurt Prüfke (geb. 18.05.1884 in Pößneck, gest. 09.08.1950 in Gelsenkirchen), der nicht jüdischer Herkunft war, geschützt. Nach einer Ausbildung zur Kindergärtnerin in Braunschweig hatte Elfriede 1924 in Köln eine Stelle im Haushalt des Witwers Kurt Prüfke angenommen, der eine Kinderfrau für seine beiden Töchter Ottilie (gesch. Hemmersbach, geb. 14.11.1921 in Köln, gest. 02.08.1988 in Leverkusen) und Klara (verh. Wenz, geb. 14.06.1924 in Köln, gest. 10.06.2003 in Köln) suchte. Kurt und Elfriede hatten 1926 geheiratet, ein Jahr später war ihre Tochter Margot (verh. Bücher, geb. 18.07.1927 in Köln, gest. 28.11.2023 in Jülich) geboren worden.

Luise und Kurt Todtenkopf mit Johanna (geb. Ruth) Eichmann



Abb.4: Luise und Kurt Todtenkopf mit Johanna (geb. Ruth) Eichmann (1926 – 2019) o. J., Foto: Jüdisches Museum Westfalen.

Am 27.2.1941 heiratete Luise den jüdischen Kaufmann Kurt Todtenkopf (geb. 19.12.1906 in Essen, ermordet 22.08.1942 in Buchenwald). Kurts Vater Isidor, seiner Ehefrau Klara (geb. Cohnhoff, geb. 20.11.1875 in Dannenberg, gest. 27.03.1942 in Gelsenkirchen) und seinen Kindern Kurt, Harry (17.08.1904 in Essen, deportiert in das Ghetto Warschau und dort zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet) und Irma (geb. 24.04.1911 in Gelsenkirchen, Schicksal nach Emigration nach Großbritannien unbekannt) war es 1923 durch das Berliner Justizministerium gestattet worden, den Familiennamen Kopf anstelle des diskriminierend klingenden Namen Todtenkopf zu führen. Dieses Recht widerrief 1939 das Reichsinnenministerium. Kurts Mutter Klara und sein Bruder Harry wohnten wie Kurt zu Beginn der Deportationen aus Gelsenkirchen 1941 in der Augustastraße 7. Die Namen von Klara und Harry Todtenkopf standen auf der Deportationsliste für den 31.03.1942. Klara starb am 27.03.1942 – vermutlich durch Selbstmord – Harrys Spuren verlieren sich im Warschauer Getto. Irma, die 1937 in der Augustastraße 7 wohnte, gelang es, kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs nach Großbritannien zu emigrieren.

Am 27.01.1942 begannen die Deportationen der jüdischen Bevölkerung aus Gelsenkirchen. Vor dem nächsten Deportationszug am 31.03.1942 beschlossen Kurt und Luise angesichts ihrer eigenen zu erwartenden Deportation aus Deutschland zu fliehen; doch der Fluchtversuch scheiterte. In dem vom Deutschen Reich besetzten Mülhausen/Elsass wurden Kurt und Luise am 21.03.1942 verhaftet und die Gestapo ordnete Schutzhaft für sie an. Unter den Haftpapieren befindet sich der Vermerk: „Behördliche Anordnung nicht befolgt“. Am 07.04.1942 wurden Kurt und Luise aus der Strafanstalt in Saarbrücken nach Münster/Westfalen gebracht. Kurt wurde am 19.06.1942 in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Dort war Kurt mit der Haftnummer 2541 registriert und im Block 36 untergebracht. Ab dem 22.06.1942 war er dem Arbeitskommando Nr. 44 zugeteilt (vermutlich ein Maurer- bzw. ein Baukommando). Ab 25.07.1942 musste er im Steinbruch (Arbeitskommando 53) schwerste körperliche Zwangsarbeit leisten. Kurt Todtenkopf starb am 22.08.1942 im Häftlingskrankenbau. Als Todesursache ist in den Dokumenten „akute Herzschwäche“ angegeben.

Die wenigen persönlichen Sachen, die er bei seiner Einlieferung in Buchenwald bei sich hatte, wurden am 29.09.1942 an die Verwaltung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück geschickt, wo seine Frau Luise Todtenkopf seit dem 15.06.1942 Zeit inhaftiert war. Von dort wurde sie nach Auschwitz transportiert, wo sie in einer Gruppe von 622 Häftlingsfrauen am 05.10.1942 im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ankam. Hier wurde sie am 04.11.1942 ermordet. Das Sterbezweitbuch des Standesamts Auschwitz nennt als Todesursache „Sepsis“.

Henriette erhielt Ende Juli 1942 die Aufforderung, sich in drei Tagen für den Transport am 31. Juli nach Theresienstadt bereitzuhalten. Der Transport sollte von Münster aus starten. Ihre älteste Tochter Elfriede mischte sich unter den Transport, fest entschlossen, ihre Mutter zu begleiten. In Bielefeld wurde sie entdeckt und gezwungen, den Zug zu verlassen. Zurück in Gelsenkirchen erlitt Elfriede einen Nervenzusammenbruch. Innerhalb eines halben Jahres hatte sie erlebt, wie ihre Mutter, Schwester, Nichte, Schwager, weitere Verwandte und ein großer Teil ihres Bekannten- und Freundeskreises teilweise mit unbekanntem Ziel und ungewissem Schicksal deportiert wurden.

Mit dem Transport XI/1-594 kam Henriette am 01.08.1942 in Theresienstadt an. Ihr Zwangsaufenthalt dort dauerte drei Jahre. In Theresienstadt war sie unter folgenden Adressen registriert: Parkstraße 1 und 5, Postgasse 8 und Hauptstraße 23. Henriette überlebte und kehrte nach Ende des Krieges im Sommer 1945 zu ihrer Familie nach Gelsenkirchen zurück, fast bis zur Unkenntlichkeit abgemagert.

Margot Spielmann, Aufnahmedatum nicht bekannt

Abb.5: Margot Spielmann, o.J. Aufnahmedatum nicht bekannt (Foto: Familie Bücher/Wenz).

Das Schicksal von Margot Spielmann ist nicht dokumentiert. Bei der großen Deportation vorwiegend älterer jüdischer Menschen aus Westfalen über Münster nach Theresienstadt am 31.07.1942 findet sich außer Henriettes Namen auch der von Margot auf der Deportationsliste, jedoch ist handschriftlich vermerkt, dass sie nicht erschienen sei. Am 20.12.1955 suchte Elfriede im Auftrag ihrer Mutter Henriette das Amtsgericht Gelsenkirchen auf und beantragte, Kurt, Luise und Margot für tot erklären zu lassen. Sie gab an, dass Margot mit ihren Eltern geflohen sei. Nach der gescheiterten Flucht wäre sie zunächst in ein Krankenhaus in Mülhausen/Elsass gekommen und dort bis Februar 1943 verblieben. Dann hätte man Margot nach Auschwitz abtransportiert, wie Elfriede von dem Gestapo-Beamten, der Margot wegbrachte, persönlich erfahren hätte. Tatsächlich taucht der Name Margot Spielmann 1944 auf einer Liste des SS-Hygiene-Instituts Auschwitz auf. Ob es sich dabei um Luises Tochter Margot Spielmann handelt, ist nicht feststellbar.

Nachdem die Gestapo Henriette für den Transport nach Theresienstadt abgeholt hatte, versiegelte sie ihre Wohnung in der Augustastraße. Die Wohnungsschlüssel wurden Henriettes Schwiegersohn Kurt Prüfke später ausgehändigt. Im September 1942 bezog Elfriede mit ihrem Mann Kurt und ihrer Tochter Margot Prüfke die Wohnung ihrer Mutter und musste feststellen, dass sie teilweise ausgeplündert war. Es fehlten Silberbestecke, Porzellan, eine Sammlung wertvoller Zinnsachen, Wäsche und Garderobe. Eine Nachfrage bei der Gestapo blieb ergebnislos. Koffer mit Schmuck, Wäsche, Kleidern und Schuhen, die Henriette nach Theresienstadt geschickt hatte, kamen dort nie an. Man hatte Henriette vor ihrer Deportation in dem Glauben gelassen, sie könnte ihr Eigentum dort nutzen. Henriettes geschiedener Mann Wilhelm zahlte für sie 1.000 RM an die Oberfinanzdirektion in Münster. Auch dieses Geld hat sie nicht erhalten.

Im letzten Kriegsjahr richteten sich die rassistischen Verfolgungen des NS-Regimes vermehrt gegen die „jüdischen Mischehen“. Am 19.09.1944 holte die Gestapo Elfriede frühmorgens in der Augustastraße 7 ab. Aus Gelsenkirchen und anderen Orten des Ruhrgebiets und Westfalens wurden bei der „Mischlings-Aktion“ im September 1944 rund 200 Frauen mit einem jüdischen Elternteil oder jüdische Ehepartnerinnen aus einer „Mischehe“ deportiert, ohne dass die Angehörigen informiert wurden, wohin man sie brachte. Die Frauen kamen in das Zwangsarbeitslager Elben bei Kassel, das der Organisation Todt unterstellt war. Die Frauen erfuhren von der örtlichen Bevölkerung in Elben Verständnis und Unterstützung. So hatte sich die Bevölkerung dafür eingesetzt, dass 120 der Frauen im Saal einer Gastwirtschaft mit Strohsäcken und Decken untergebracht wurden; denn nach ihrer Ankunft schliefen die Frauen zunächst in Zelten, die bei dem einsetzenden Herbstwetter völlig durchnässt und verdreckt waren. Der Aufenthalt in der Gastwirtschaft wurde nach wenigen Wochen durch den Umzug in Holzbaracken beendet, die die Frauen zuvor selbst errichten mussten.

Lebenszeichen aus dem Frauenlager Elben

Abb.6: Telegramm von Margot Prüfke an ihre Mutter Elfriede im Lager Elben mit dem Vermerk „Unkraut vergeht nicht!“, Gelsenkirchen, 06.03.1945, (Foto: Familie Bücher/Wenz)

Der harte Arbeitstag begann morgens um sechs Uhr mit dem Wecken, um sieben Uhr war Appell und Einteilung zum Arbeitsdienst, der bis abends um 19 Uhr dauerte, unterbrochen von einer Stunde Mittagspause. Die Arbeit im Steinbruch und im Stollen war anstrengend und kräftezehrend. Hinzu kamen mangelhafte Verpflegung, nicht ausreichende medizinische Versorgung und schlechte hygienische Zustände. Als US-amerikanische Truppen Ende März auf das Lager vorrückten, war das Schicksal der Frauen ungewiss und Deportation nach Osten oder Erschießungen drohten. Schließlich zogen die Truppen am 31.03.1945 in das Lager ein und befreiten die Frauen. Elfriede erhielt am 29.04.1945 von dem neuen Lagerführer Löffler ein Schreiben mit der Bestätigung ihrer Haftzeitzeit und ihrem Entschluss, in ihre Heimatstadt zurückzukehren.

Kurt und seine Tochter Margot waren bis November 1944 in der Augustastraße 7 geblieben. Dann zwang sie ein Bombenschaden, das Haus zu verlassen. Sie flüchteten aus Gelsenkirchen und dem Ruhrgebiet nach Wellingholzhausen zu Bekannten.

Die erste Wohnung von Elfriede und ihrer Familie nach Kriegsende war in der Walpurgisstraße 12. Henriette lebte nach ihrer Rückkehr aus Theresienstadt bei ihrer Tochter zur Untermiete. Ende der 1940er Jahre besuchte Henriette ihre Tochter Erna in Rio de Janeiro und blieb fast zwei Jahre in Brasilien, bis Elfriede sie am 29.04.1950 in Antwerpen abholte. Bis zu ihrem Tod 1956 lebte Henriette in Gelsenkirchen. Kurt Prüfke starb bereits 1950. Margot war wie ihre Schwestern Otti und Kläre Krankenschwester geworden. Am 01.02.1963 heiratete sie Hubert Bücher und zog zu ihm nach Jülich. Im gleichen Jahr brachte Margot ihren Sohn Thomas Bücher (geb. 17.09.1963 in Jülich, gest. 06.09.2018 in Aachen) zur Welt. Bald folgte ihr Elfriede nach Jülich, wo sie ihre letzten Lebensjahre verbrachte und 1980 starb.

Henriette und Elfriede sind auf dem jüdischen Friedhof in Gelsenkirchen begraben.

Erna erhielt im November 1955 die Einbürgerungsurkunde für die Bundesrepublik Deutschland und damit verbunden die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihre Ehe mit Kurt Heiber wurde am 10.08.1958 in Berlin geschieden.

Josef Spielmann hatte im September 1933 in Amsterdam Martha Jacobs (geb. 05.02.1910 in Amsterdam, deportiert nach Auschwitz 17.09.1943) geheiratet. Das Paar bekam zwei Kinder: Julius (geb. 16.07.1934 in Amsterdam, deportiert nach Auschwitz 17.09.1943) und Esther (geb. 31.12.1941 in Amsterdam, deportiert nach Auschwitz 17.09.1943). Ende Januar kamen die Familie in das Lager Westerbork. Von dort wurden Martha und die Kinder am 17. September 1943 und Josef am 21.01.1945 nach Auschwitz deportiert.

Durch ihren Umzug in die Augustastraße 7 konnte Elfriede nicht nur Teile des Besitzes ihrer Mutter retten. Es gelang ihr, auch Besitztümer anderer jüdischer Familien zu sichern. Unter ihnen waren auch die Nachfahren des Beschneiders Meyer Spiegel (1805-1875). Dieser schrieb in den Jahren zwischen 1835 und 1865 alle Beschneidungen auf, die er gemäß jüdischem Brauch durchführte. Meyer Spiegel notierte gleichzeitig den Namen des Jungen, seines Vaters und meist auch eines Paten mit Ort und Datum. Dieses Beschneidungs- oder Mohelbuch ist heute ein kostbarer Schatz für die Familienforschung von Holocaust Überlebenden. Meyer Spiegel zog kurz vor seinem Tod zu einem seiner Söhne nach Gelsenkirchen. Dort wurde es in der Familie weitergegeben. Heute befindet sich das Mohelbuch im Besitz des Jüdischen Museums Westfalen.

Henriettes große verzweigte Familie lebte über Generationen im Ruhrgebiet und im Rheinland. In den zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft wurden Familienmitglieder deportiert und ermordet. Andere versuchten zu flüchten, emigrierten, tauchten unter oder überlebten, weil eine Ehe mit einem nicht jüdischen Ehepartner sie schützten. Die Ehepartner nahmen Demütigungen, Entlassungen und finanzielle Not in Kauf.

Ehemaliger Standort des Ghettohauses Augustastr.7 in Gelsenkirchen

Abb.: Ehemaliger Standort des Ghettohauses Augustastr.7 in Gelsenkirchen

Viele Jüdinnen und Juden lebten nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in der Augustastraße 7. Für nicht wenige von ihnen war es die letzte Adresse, bevor sie deportiert wurden, angesichts der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft versuchten, ihr Leben durch Emigration oder Flucht zu retten, oder den Freitod wählten. Zu ihnen gehören:

Henriette BreuerFrida Sternfeld
Else HeymannGustav Sternfeld
Karl KaufmannHugo Sternfeld
Recha KaufmannInge Sternfeld
Regina KlestadtJohanna Sternfeld
Karl LevyHarry Todtenkopf
Martha LilienthalIrma Todtenkopf
Rudolf NeuwaldKlara Todtenkopf
Hedwig PlautKurt Todtenkopf
Rudolf SchmahlLuise Todtenkopf
Berta SchmahlHermann Voosen
Leopold SchmelzMarthel Voosen
Else SchweitzerRosalie Voosen
Henriette SilberbergJenny Weinberg
Julius SternMargit Zorek
Margot SpielmannAnnemarie Zorek
Und weitere Unbekannte.

Das Haus in der Augustastraße 7 wurde zum 21. November 1974 als vollständig abgebrochen vermerkt. Heute befindet sich auf dem Grundstück ein Parkplatz.

Biografische Zusammenstellung: Dr. phil. Christine Bücher, April 2024
Quellen:
Amsterdam Stadtarchiv
Arolsen Archives
Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen
Joods Monument
Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen
Jüdisches Museum Westfalen
Marchivum Mannheim
Stadtarchiv Braunschweig
Stadtarchiv Essen
Terezín Memorial.

Abbildungen 1,2,3,5: Familie Bücher/Wenz, 4: Jüdisches Museum Westfalen


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen, 4/2024

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