STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

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HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen DAVID LÖWENSTEIN

JG. 1878
FLUCHT 1941
PORTUGAL
1941 USA

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen BERTA LÖWENSTEIN

GEB. KATZENSTEIN
JG. 1877
FLUCHT 1941
PORTUGAL
1941 USA

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen KURT LÖWENSTEIN

JG. 1908
FLUCHT 1939
ENGLAND
1940 USA

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen DR. WERNER LEO LÖWENSTEIN

JG. 1909
FLUCHT 1937
USA

Verlegeort: Horster Str. 17, Gelsenkirchen

Familie David Löwenstein, Gelsenkirchen

Abb.1: Familie Löwenstein, Gelsenkirchen. Von li. n. re.: Werner, Berta, David u. Kurt Löwenstein

Der Kaufmann David Löwenstein, geboren am 2. September 1878 in Brilon als Sohn des Handelsmanns Levi Löwenstein und seiner Frau Johanna, geborene Willon [1] war mit der am 11. Oktober 1877 in Abterode geborenen Berta Katzenstein verheiratet. Wann genau Löwensteins nach Buer kam, ist nicht bekannt. Das Ehepaar Löwenstein hatte zwei im damals noch selbststängigen Stadt Buer (Westfalen) geborene Söhne, den am 22. Juni 1908 geborenen Kurt und den am 9. Oktober 1909 geborenen Werner. Die Lebensspuren der Familie Löwenstein lassen sich bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen.

abiturzeugnis_werner_loewenstein_gelsenkirchen

Abb.: Erweiterungsgebäude des Buerschen Gymnasiums, ab 1917 "Hindenburg-Gymnasium" an der Breddestraße, um 1934.
Kurt wurde dort 1918, Werner 1919 aufgenommen. Heute befindet sich in dem Gebäude das Leibniz-Gymnasium.

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Abb.: Abiturzeugnis von Kurt Löwenstein.

abiturzeugnis_werner_loewenstein_gelsenkirchen

Abb.2: Ausschnitte aus den Abiturzeugnisssen von Kurt und Werner Löwenstein.

Werner und Kurt machten am Gelsenkirchener "Hindenburg-Gymnasium", dem heutigen Max-Planck Gymnasium in Buer ihr Abitur, Kurt im Jahr 1927. Auf seinem Abiturzeugnis ist vermerkt: 22. Februar 1927, "Löwenstein will sich dem Studium der Rechtswissenschaften widmen." Werners "Zeugnis der Reife" (Abiturzeugnis) ist auf den 15. März 1928 datiert, Vermerk: "Löwenstein will Medizin studieren".

promotionsurkunde_werner_loewenstein_gelsenkirchen

Abb.3: Promotionsurkunde von Werner Löwenstein, M.D., Thema seiner Dissertation: "Über das Vorkommen von Ulcus Duodeni und Ventriculi im Kindesalter".

Werner Löwenstein hat 1934, im letzten Jahr, in dem jüdische Menschen im NS-Staat einen Abschluß machen durften, sein Medizinstudium an der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin abgeschlossen. Werner wurde bereits gewarnt, er solle nicht an der Abschlussfeier teilzunehmen. Es war ihm auch nicht erlaubt, seine Urkunde entgegenzunehmen. Ein Professor, der Werner mochte, holte das Diplom während der Zeremonie vom Podium und übergab es ihm danach persönlich.

Ein Erlass vom Januar 1934 verfügte, dass die Verleihung der Doktorwürde an so genannte "Nichtarier" nur noch im Einzelfall erteilt würde. Im Jahr der Verkündung der "Nürnberger Rassegesetze" war die Zulassung zur Facharztprüfung und die Approbation mit der Vorlage eines "Ariernachweises" verbunden. Seine Approbation erhielt Werner somit in der Folgezeit nicht mehr.

Das einzige, was er bei seiner Flucht aus Nazi-Deutschland mitnahm, war seine Promotionsurkunde, letztlich war sein akademischer Grad 'Doktor der Medizin' eine symbolische Fahrkarte in die freie Welt. Zeitlebens war Bildung für Werner Löwenstein von hohem Wert, "Bildung ist etwas, daß dir niemals jemand nehmen kann!" pflegte er oft zu sagen. Diese Wertvorstellung hat er auch seinen drei Kindern und sechs Enkelkindern vermittelt, die allesamt Universitätsabschlüsse haben.

Werner und Kurt Löwenstein, Gelsenkirchen

Abb.4: Werner (li.) und Kurt Löwenstein, Gelsenkirchen

War Berta Löwenstein nach der Machtübergabe 1933 zunächst noch der trügerischen Hoffnung, Juden könnten in Deutschland unter einiger maßen "normalen" Umständen weiterleben, er- kannte sie mit Zunahme des alltäglichen antijüdischen Terrors die Zeichen der Zeit.

Ihre Söhne sollten in die USA fliehen, eine entfernte Verwandte in Ohio erklärte sich bereit, eine entsprechende Bürgschaft ("Affidavit of support") für Werner zu übernehmen. Die Verwandte war der Meinung, Werner könne sich als Arzt selbst versorgen, für Kurt, der in der ersten Hälfte der 1930er Jahre sein Jurastudium abschließen konnte, bevor ab dem 22. juli 1934 jüdische Studenten nicht mehr zu den Prüfungen zugelassen wurden, sei es allein schon wegen der Sprachbarriere zu schwierig, daher könne sie ihn nicht untersützen. Am 16. April 1937 erreichte Werner an Bord der 'SS Manhattan' Ellie Island/USA. Werner Löwenstein fand in den USA vergleichsweise schnell eine Anstellung als Arzt im St Elizabeths Hospital in Lafayette, Idiana. Nach einem Jahr wechselte er zu einem anderen Krankenhaus in Terre Haute, Indiana.

Geburt Miriam Löwenstein, Gelsenkirchen

Dort lernte Werner seine spätere Frau Hazel Anderson kennen. Hazel konvertierte noch vor der Hochzeit zum Judentum, die beiden heirateten am 4. Juni 1942. Am 6. Mai 1946 kam ihre Tochter Miriam Sue zur Welt. Werner und auch Kurt waren 1944/45 als Angehörige der US-Streitkräfte aktiv an der Befreiung Europas vom Faschismus beteiligt, Werner in der Army und Kurt bei der Navy. Werner Löwenstein starb am 6. Februar 1990 im Kreis seiner Familie. Biography of Werner Leo Löwenstein, M.D by Miriam (Löwenstein) Zimmerman: PDF Download hier

Kurt Löwenstein heiratete noch in Deutschland am 10. Juli 1938 seine Frau Guste, geborene Zwecher. Am 18. Januar 1939 floh Kurt zunächst nach Holland, im August 1939 weiter nach England, seine Frau folgte kurze Zeit später.[2] Nach rund einem Jahr Aufenthalt in England emigrierten beide von dort in die USA.

Bis zu ihrer Enteignung, Vertreibung und Flucht führten David und Berta Löwenstein an der damaligen Essener Straße 12a (heute Horster Straße 17) im Herzen von Buer ein florierendes Geschäft, in dem vorwiegend Damen- und Herrenhüte sowie Krawatten verkauft wurden. Die Familie wohnte in der Wohnung direkt über dem Geschäft.

Ladenlokal Katzenstein in Buer

Abb.5: Ansichtskarte um 1910/15, Katzenstein in Buer, Essener Straße, Ecke Maelostraße

Ladenlokal Katzenstein in Buer

Abb.6: Ladengeschäft Katzenstein in Buer. (Bis zur Eingemeindung von Buer Essener Straße 12a, (ab 1934 hieß das Teilstück zwischen Vinckestraße u. Goldbergstraße "Ludwig-Knickmann-Straße", heute Horster Str. 17)

Im Zuge der so genannten "Arisierung", so nannten die Nazis verschleiernd die staatlich organisierte Ausplünderung jüdischer Menschen, wurde Otto Höfer aus Buer neuer "Eigentümer" der Immobilie Horster Str. 17. In einer "Anzeige über ein Bauvorhaben" an das Arbeitsamt Gelsenkirchen heißt es u.a.:

"Hier handelt es sich um ein Wohn- und Geschäftshaus, welches vom Antragsteller von einem Juden erworben wurde u. dessen Instandsetzung dringlich ist, da die Benutzung in dem heutigen Zustand für Geschäftszwecke unmöglich. Die Gesamtkosten sind so unverhältnismäßig hoch, weil Schaufenster, Portal, Spiegelscheiben u. Rinnen erneuert werden müssen." Geplante Ausführungszeit für die Arbeiten laut Antrag: 5. Juni - 17. Juli 1939. Datiert ist die Anzeige auf den 24. Mai 1939, Unterschrift: Otto Höfer.[3]

Verschleiernd wird in der Bauvorhaben-Anzeige "erworben" geschrieben - ganz als ob es sich um einen ganz normalen, korrekten und fairen "Geschäftsvorgang" gehandelt hat. Davon kann jedoch keine Rede sein. Durchaus möglich, das es sich bei den von Otto Höfer beschriebenen "Zustand" des Hauses um Schäden aus der Pogromnacht im November 1938 handelte, ein Zeitzeuge beschrieb seine Wahrnehmungen: "Am 10. November waren auch an anderen Stellen in Buer fürchterliche Verwüstungen zu sehen. Auf der Hochstraße, bei Hosen-Hirsch, lagen Kleidungsstücke und Schaufensterpuppen zerstört auf der Straße. Beim Möbelhaus Rosenbaum, an der Ecke Westerholter Straße/de-la-Chevalleriestraße, waren Möbelstücke, wie Küchenschränke, Tische, Stühle, Sofas auf die Straße geworfen worden. Bei Katzenstein und Löwenstein, an der Ecke Horster Straße/Maelostraße, waren ebenfalls die Schaufenster zertrümmert. Die Fassaden der Häuser waren mit antijüdischen Hetzparolen beschmiert. Von den Besitzern war keine Spur zu sehen - alle wurden in der Nacht abgeholt und zum Polizeigefängnis gebracht, einige wurden später in Konzentrationslager verbracht." [4]

Nur Geld zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten war jüdischen Menschen zu der Zeit noch verfügbar, um an öffentlichen Fürsorgemitteln zu sparen: ohne berufliche Einkünfte ein Leben am Existenzminimum. Die Auszüge aus einer "Sicherungsanordnung" gegen David Löwenstein von 1939, der in Brilon bis Dezember 1938 noch über Grundbesitz verfügt hatte, zeigen die weiteren Verschärfungen auf. Durch "Verkäufe" erhaltenes Geld war oft nur nominell im Besitz der jüdischen Verkäufer und blieb weitgehend bis nach Ausreise bzw. Flucht oder Deportation gesperrt. Die damit verbundene Aberkennung der Staatsbürgerschaft ermöglichte dann die "Konfiszierung" des Vermögens durch das so genannte "Dritte Reich".

Sicherheitsanordnung

Dortmund Nr. 30 15 1515.

Betr.: Maßnahmen gegen Juden

Aus gegebener Veranlassung weise ich darauf hin, daß von einer Sperrung jüdischer Bankkonten abzusehen ist. Ich ersuche jedoch, Geldinstitute bei denen Juden Kontos haben, anzuhalten, vor Abhebung größerer Beträge oder vor Auflösung umfangreicher Konten, jeweils die hiesige Entscheidung einzuholen.

Stapo Dortmund

Urschr. der Sparkasse und der Briloner Volksbank zur Kenntnisnahme

Herrn David Israel Löwenstein
Gelsenkirchen-Buer
Horsterstr. 17

Sicherungsanordnung!

Sie haben angegeben, daß Sie beabsichtigen auszuwandern. Es besteht die Gefahr, daß hierbei unter Umgehung oder Verletzung bestehender Vorschriften Vermögenswerte der Devisenbewirtschaftung entzogen werden. Auf Grund des § 59 des Devisengesetzes vom 12.12.1938 ordne ich daher an:

Die Verfügung über folgende Vermögenswerte ist nur mit meiner Genehmigung zulässig:

    1. Ihre Forderung gegen die Stadt Brilon

    2. Ihre Forderung gegen Wilhelm K., Brilon

    3. Ihre Forderung gegen Otto Höfer, Gelsenkirchen-Buer

    4. der zu treuen Händen bei Rechtsanwalt Niewoehner hinterlegte Betrag von RM 20.000

Ich genehmige hiermit Zahlungen auf die Forderungen 1-3 bezw. die Zahlung des Betrages zu 4 mit der Maßgabe, daß die Beträge nur auf ein Konto bei der Zweckverbandssparkasse Gelsenkirchen-Buer überwiesen werden dürfen. Über dieses Konto darf nur mit meiner Genehmigung verfügt werden. Erträgnisse gesperrter Depots, Zinsen gesperrter Konten, Zinsen aus Forderungen sowie Miet- und Pachteinnahmen verbleiben zu ihrer freien Verfügung.

Soweit diese Beträge zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht ausreichen, kann bei mir Freigabe eines monatlichen Betrages aus einem gesperrten Konto beantragt werden. Zur Bestreitung Ihres Lebensunterhaltes gebe ich von dem gesperrten Konto bei Zweckverbandssparkasse Gelsenkirchen-Buer RM 700,— pro Monat frei. Die vorläufige Sicherungsanordnung der Zollfahndungsstelle Dortmund vom 16. Febr. 1939 wird durch diese Anordnung aufgehoben.

Abschrift: Im Auftrage: gez. Heising

Herrn Bürgermeister der Stadt Brilon, zur gefl. Kenntnis

Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es Werner, seine Eltern zur Flucht aus Nazi-Deutschland zu bewegen. Sein Vater David Löwenstein wollte Deutschland nicht verlassen, er war der Meinung, im könne als Frontkämpfer des 1. Weltkrieges und Träger des "Ehrenkreuzes für Kriegsteilnehmer" nichts geschehen, er war der Meinung, "es könne nicht schlimmer werden. Ich bin Frontkämpfer, "Sie" werden mir niemals etwas antun".

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie David Löwenstein

Abb.8: 1935 wird David Löwenstein das "Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer" verliehen.

Und so verfielen die ersten Visa, um die sich Werner bemüht hatte. Erst nach den Ereignissen in der Pogromnacht, bei der auch das Geschäft der Familie an der Horster Straße zerstört worden war, entschlossen sich Berta und David Löwenstein buchstäblich in allerletzter Minute schließlich doch zur Flucht. Im Hafen von Lissabon gingen sie am 28. März 1941 an Bord des Dampfers "Excalibur", ein Luxusliner der American Escort Lines, der sie in die USA in Sicherheit brachte. Dort starb David am 27. Dezember 1950, seine Frau Berta am 30. September 1953.

Werner Löwenstein stellte Ende der 1950er Jahre einen Antrag auf "Wiedergutmachung" bzw. Entschädigung. Ihm wurden 1960 lediglich 120 DM für "Auswanderungskosten" zugebilligt.

Abbildungen:
Abb.1: Miriam Zimmerman
Abb.2: Abiturzeugnis Werner Leo Löwenstein, Schularchiv MPG, Gelsenkirchen-Buer
Abb.3: Anzeige in der Exilzeitung "Der Aufbau" v. 7. Juni 1946
Abb.4,6: Ansichtskarte, Sammlung Karl-Heinz Weichelt
Abb.5,7,8: Familie Löwenstein/Zimmerman

Quellen:
[1] Ursula Hesse: Jüdisches Leben in Alme, Altenbüren, Brilon, Madfeld, Messinghausen, Rösenbeck, Thülen. Stadt Brilon 1991
[2] Bericht v. Kurt Löwenstein, 1976
[3] Hausakte, StA/ISG Gelsenkirchen
[4] Die Novemberpogrome in Gelsenkirchen - Dokumente zur Reichskristallnacht. Herausgeber: Schul- und Kulturdezernat der Stadt Gelsenkirchen, Evangelischer Kirchenkreis Gelsenkirchen, Schulamt für die Stadt Gelsenkirchen, 1988.
International Tracing Service (ITS), Bad Arolsen
Sekundärliteratur: Biography of Werner Leo Löwenstein, M.D von Miriam (Löwenstein) Zimmerman. Mit freundlicher Genehmigung, alle Rechte vorbehalten.
Alfons Kenkmann, Bernd-A. Rusinek, Hgb.: Verfolgung und Verwaltung, Die wirtschaftliche Ausplünderung der Juden und die westfälischen Finanzbehörden. Münster, 1999

Stolpersteine für Familie David Löwenstein, verlegt am 23. Mai 2018

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie David Löwenstein Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie David Löwenstein Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie David Löwenstein

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie David Löwenstein

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie David Löwenstein

Rede von Miriam Zimmermann anlässlich der Stolpersteinverlegung:

"Ich freue mich sehr, hier zu sein, vor dem Haus, das vor langer Zeit das Zuhause meines Vaters war. Zuerst möchte ich dem Künstler Gunter Demnig für seine Vision und Kreativität danken, mit denen er Familien wie meiner gedenkt, nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa und Südamerika. Ich bin auch Andreas Jordan für das Dokumentieren der Löwenstein Geschichte, diese Installation und das Beantworten aller meiner Emails dankbar.

Mein Name ist Miriam Löwenstein Zimmerman, ich bin die Tochter von Werner Leo Löwenstein und die Nichte von Kurt Löwenstein. Herr Demnigs Vision umfasst "Ein Mensch, ein Stein, ein Name". In diesem Sinne möchte ich Ihnen (und euch) zuerst die Familie zeigen, die hier lebte und deren Namen auf den vier Stolpersteinen eingraviert sind. Von links nach rechts: Werner, mein Vater, Bertha und David, seine Eltern, und sein älterer Bruder Kurt.

Jetzt möchte ich namentlich alle Löwensteins, die heute hier sind, vorstellen: Kurts Söhne Mark und Michael. Ihre selige Mutter, Gustel Zwecher Löwenstein, ist auch eine gebürtige Buererin (die Stolpersteine der Familie Zwecher sind schon in der Nähe gelegt worden). Anwesend sind auch Linda Löwenstein, Marks Frau, und Michaels Töchter Leah und Marsha Löwenstein, Kurt und Gustels Enkelinnen. Ich bin hier zusammen mit meinem Mann, Richard Zimmerman, und unseren zwei Töchtern Rebecca Goodman und Leah Sharp und Leahs Töchtern Ziva und Maya. Sie sind Urenkelinnen von meinem Vater, Werner Löwenstein, und Ururenkelinnen von David und Bertha Katzenstein Löwenstein, deren letzter Wohnort Horster Straße 17 war.

Was wir heute feiern, ist eine Feier des Lebens vor und nach dem Nationalsozialismus. Damals wie heute war die Horster Straße eine Geschäftsstraße, Nummer 17 war ein dreistöckiges Gebäude, ähnlich wie heute. Ich bin froh und erleichtert, dass es an dieser Stelle kein MacDonalds oder Subway gibt. Das Kurzwarengeschäft, das der Familie gehörte, befand sich im Erdgeschoss. Die Familie wohnte darüber. Meine Oma arbeitete mit Opa im Verkauf von vorwiegend Hüten und Krawatten. Im zweiten Stock war der Boden, der als Abstellraum diente und den Oma in den Wintermonaten benutzte, um die Wäsche aufzuhängen. David und Bertha haben die ganze Zeit hart gearbeitet. Deshalb konnten sie das Jurastudium von Kurt und das Medizinstudium von Werner finanzieren. In dieser Zeit, Anfang der Dreißiger Jahre, hielten strenge Quoten Juden und Jüdinnen vom Universitätsstudium ab. Beide Löwenstein Söhne mussten sehr gute Schulleistungen erbracht haben, um zu einer professionellen Ausbildung zugelassen zu werden.

Mein Vater erzählte, dass seine Klassenkameraden ihn zum Abschiedsredner seiner Abiturklasse wählten. Er fügte immer dazu: “I was the only Jew in my class, so I was not elected by the Jewish vote.” “Ich war der einzige Jude in meiner Klasse, also wurde ich nicht durch jüdische Stimmen gewählt.” Mein Vater beschrieb auch, wie Leute sich von einem Tag auf den anderen veränderten, nachdem Hitler an die Macht kam. In einer Kleinstadt wie Bür damals war, kannten alle Leute einander. Wenn er auf den Straßen Leute traf, die er sein ganzes Leben lang kannte, wechselten diese die Straßenseite, um ein Gespräch mit ihm zu vermeiden. Dank der Hilfe von einer entfernten Verwandten in den USA, Ida Schott, konnte mein Vater Deutschland im Jahre 1937 (neunzehnhundertsiebenunddreißig) verlassen.

Er ließ sich in der Kleinstadt Terre Haute im Bundesstaat Indiana nieder, wo meine Schwester Ruth, mein Bruder Paul und ich geboren und wir aufgewachen sind. Als mein Vater, meine Schwester und ich Bür in den frühen Achtziger Jahren besuchten, war ich erstaunt, wie ähnlich Bür und Terre Haute sind. In beiden gibt es die gleichen freundlichen Leute, die mehr Zeit als geschäftige Leute in großen Städten zu haben scheinen.

In der Löwenstein-Familie haben viele ihre deutsche Staatsangehörigkeit inzwischen wiedererlangt. Meine Tochter Leah wohnt jetzt mit ihrer Familie in München und bringt unsere Familie somit nach Deutschland zurück."

(Stolpersteine Zeremonie by Miriam Zimmerman, Ed.D., Translation assistance: Marion Gerlind, Ph.D.)

Die Stolpersteinverlegung für Familie Löwenstein im Spiegel der Lokalpresse (WAZ):
→ Geschichtsunterricht auf dem Bürgersteig


Biografische Zusammenstellung: Andreas Jordan, STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Februar 2018. Editiert Mai 2018

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