STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

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HIER WOHNTE

Verlegeort IGNAZ WIESELMANN

JG. 1892
ABGESCHOBEN 22.2.1939
POLEN
ERMORDET
DEPORTIERT MAJDANEK
ERMORDET

HIER WOHNTE

Verlegeort ADELE WIESELMANN

GEB. WEIDENFELD
JG. 1897
'POLENAKTION' 1938
BENTSCHEN/ZBASZYN
1939 GHETTO LUBLIN
1942 MAJDANEK
ERMORDET

HIER WOHNTE

Verlegeort ELFRIEDE WIESELMANN

JG. 1921
FLUCHT 1937
PALÄSTINA

HIER WOHNTE

Verlegeort HELENE WIESELMANN

VERH. WEGMANN
JG. 1923
FLUCHT 1939
ITALIEN
PALÄSTINA

HIER WOHNTE

Verlegeort HILDEGARD WIESELMANN

JG. 1926
'POLENAKTION' 1938
BENTSCHEN/ZBASZYN
ERMORDET IM
BESETZTEN POLEN

Verlegung geplant 2024, Verlegeort: Luggendelle 26, 45894 Gelsenkirchen

Ignaz Wieselmann, Gelsenkirchen

Abb.1: Ignaz Wieselmann

Adele Wieselmann, Gelsenkirchen

Abb.2: Adele Wieselmann

Ignaz Wieselmann, geboren am 04. April 1892 in Solotwina/Galizien war von Beruf Kaufmann. Er zog im März 1932 mit seiner Frau und drei Töchtern Elfriede, Helene und Hildegard von Bochum nach Gelsenkirchen-Buer in das Haus Luggendelle 26.

Am 26. Oktober 1938 verhängte der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, ein sofortiges Aufenthaltsverbot für die im "Deutschen Reich" lebenden Juden polnischer Herkunft, die seit mehr als fünf Jahren in Deutschland ansässig waren und durch eine kurz zuvor ergangene neue Verordnung der polnischen Regierung zu staatenlosen Menschen erklärt worden waren. Während die Gestapo im Auftrag des Auswärtigen Amtes die Abschiebeaktion veranlaßte und die einzelnen Maßnahmen koordinierte, lag die konkrete Durchführung bei der Schutzpolizei. Im Rahmen der ersten "Polenaktion" zwischen dem 27. und 29. Oktober 1938 wurden etwa 18.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit (so genannte "Ostjuden") über Nacht aus dem "Dritten Reich" ausgewiesen. Diese Diskriminierungsmaßnahme des NS-Regimes gegenüber jüdischen Menschen stellte einen ersten Höhepunkt der Verfolgung dar und war der eigentliche Auftakt zur Vernichtung der europäischen Juden.

Jüdische Jugendhilfe Schniebinchen

Hier gab es ca. 60 Ausbildungsplätze für Jugendliche ab 14 Jahre. Auf dem Stundenplan standen täglich von 8-11 Uhr praktische Arbeit im Hof/Feld/Garten und nachmittags fünf Stunden Unterricht in Hebräisch, jüdischer Geschichte/Literatur, Naturwissenschaften und Sport. Die Jugendhilfe nutzte etwa 80 Morgen Land, davon ca. 20 Morgen für Garten (Obst und Gemüse). Zur Einrichtung zählten auch Kühe, Ziegen, Pferde und Kleinvieh. Im Jahr 1939 sollen Schniebienchen 109 Jugendliche und Erwachsene tätig gewesen sein. Einer der damaligen Leiter von Schniebinchen war Dr. Alfred Cohn. Ludwig Kuttner und Fanny Bergas wurden dessen Nachfolger. Lotte Kaiser und Lotte Adam hatten die pädagogische Leitung. Ab April 1939 war Jenny Aloni, geb. Rosenbaum, Jugendleiterin, bevor auch sie im November nach Palästina auswanderte. Im Durchschnitt waren 60 % der Teilnehmer Jungen. Für Mädchen stand vor allem Hausarbeit, Kochen, Backen, Nähen und Stricken auf dem Plan.

Ende Oktober 1938 wurde seine Frau Adele Wieselmann, geborene Weidenfeld, geboren am 10. März 1897 in Kalisch/Westpreußen mit der am 6. Juli 1926 in Gelsenkirchen geborenen Tochter Hildegard im Rahmen der sogenannten 'Polenaktion' zunächst nach Bentschen (Zbaszyn) abgeschoben. Tochter Elfriede, geboren am 16. Dezember 1921 in Gelsenkirchen, konnte im Januar 1937 ihre Flucht nach Palästina realisieren und so den Holocaust überleben.

Tochter Helene, geboren am 1. November 1923 in Gelsenkirchen-Buer lebte ebenfalls im elterlichen Haushalt an der Luggendelle 26. Im Februar 1939 zog sie jedoch für einige Wochen um in die Horster Straße 36 und ging dann Ende Februar nach Schniebinchen/Polen. Dort befand sich eine Hachschara-Ausbildungs- stätte, die junge Jüdinnen und Juden auf die Auswanderung nach Palästina vorbereitete. Auch sie konnte ihr Leben wie ihre Schwester Elfriede durch Flucht retten, sie floh im August 1939 über Italien nach Palästina.

Foto: Hildegard Wieselmann, Gelsenkirchen

Abb.3: Hildegard Wieselmann

Anfang Februar 1939 wohnte Ignaz Wieselmann wie Tochter Helene kurze Zeit in der damaligen Horster Straße 36. Nach dem deutschen Überfall auf Polen galten polnische Staatsangehörige als 'feindliche Ausländer'. Am 22. Februar 1939 wurde auch er nach Polen abgeschoben. Ignaz Wieselmann wurde dort zu einem unbekannten Zeitpunkt in das in das Konzentrations- und Vernichtungslager Lubin-Majdanek deportiert und dort ermordet.

Adele Wieselmann wurde nach der Internierung in Bentschen (Zbaszyn) im Dezember 1939 in das Ghetto Lublin deportiert. Sie wurde 1942 in das Konzen- trations- und Vernichtungslagers Lublin-Majdanek gebracht und dort ermordet, der Zeitpunkt des Todes ist nicht bekannt. Ihre Tochter Hildegard wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt an einen unbekannten Ort deportiert und ermordet.

Die Patenschaft für den Stolperstein, der Hildegard Wieselmann gewidmet wird, hat Dana Wilimzik übernommen, die Patenschaften für die anderen vier Familienmitglieder ein Geschichtskurs der Gesamtschule Gelsenkirchen-Buer.

Quellen:
Gedenkbuch Bundesarchiv
Datenbank der in den Jahren 1933 bis 1945 in Gelsenkirchen verfolgten Jüdinnen und Juden, ISG Gelsenkirchen
Yad Vashem
Mapping the Lives - Ein zentraler Erinnerungsort für die Verfolgten in Europa 1933-1945: https://www.mappingthelives.org (Abruf 3/2023)
Datenbank Jüdische Lebensläufe im Vest, Westfalen und anderenorts, https://spurenimvest.de/ (Abruf 4/2024)

Abbildungen:
1-3: Yad Vashem

Biografische Zusammenstellung: Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. April 2024


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen, 4/2024

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