Abb. 2: Gedenkblatt in Yad Vashem, eingereicht von Ernest Alexander im Gedenken an seinen Onkel Hermann Joseph.
Hermann Joseph war Inhaber eines Konfektionsbetriebes mit 4-6 Näherinnen, dort wurden Westen und Hosen für die Firma Gustav Carsch & Co. in Gelsenkirchen [4] produziert. Mit der Machtübergabe an die Nazis 1933 begannen die gegen jüdische Firmeninhaber gerichteten Repressionen und Boykottmaßnahmen. Etwa ab 1934 ging auch der Umsatz des Betriebes von Hermann Joseph rapide zurück, in der Folgezeit konnte er den Lebensunterhalt seiner Familie nur mit großer Mühe als Flickschneider bestreiten. 1938 musste Hermann Joseph seinen Betrieb endgültig aufgeben. Am 9.9.1939 wurde auch Hermann Joseph zusammen mit anderen Gelsenkirchener Juden polnischer Staatsangehörigkeit - darunter Israel Kamiel und Fredy Diament - im Zuge einer Verhaftungsaktion der Verfolgungsbehörden in so genannte "Schutzhaft" genommen und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert, aus dem er im Februar 1940 wieder entlassen wurde. [5]
Aus erhaltenen Briefen, die Marianne Gottliebes Schwester Frieda Alexander an ihren in die USA geretten Sohn Ernst (Später Ernest) schrieb wissen wir, dass Siegfried Joseph Ende der Dreißiger Jahre versuchte, noch aus Nazi-Deutschland herauszukommen. So bemühte er sich - letztendlich vergeblich - um eine Ausreise nach England und auch nach Chile. Aus den Briefen wissen wir auch, dass Siegfried Joseph ab März 1939 zum Zwangsarbeitseinsatz bei einem Bauunternehmer in Gelsenkirchen-Horst verpflichtet wurde.
Abb. 3: Veröffentlichung in "Aufbau", Ausgabe vom 27. Juli 1945
Die Familie Joseph wurde mit dem ersten großen Deportationstransport, der Gelsenkirchen am 27. Januar 1942 verließ, in das Ghetto Riga in Lettland deportiert.
Hermann Joseph starb unter nicht bekannten Umständen nach Auflösung des Ghettos Riga in einem der "Arbeitskommandos" in Riga. Mit dem 31. Dezember 1945 wurde er für tot erklärt. [6]
Hermann Josephs Frau Marianne wurde von Riga weiter in das KZ Stutthof verschleppt. Dort soll sie nach Angaben von Überlebenden bei einer der SS-Mordaktionen Anfang November 1944 in der Gaskammer getötet worden sein. [7] Mit dem 8. Mai 1945 wurde Marianne Joseph für tot erklärt.
Abb. 4: Gaskammer im KZ Stutthof. Das Gebäude ist erhalten geblieben - die Nazis haben es beim Vormarsch der Roten Armee nicht mehr geschafft, diese Mordstätte zu zerstören.
Die Gaskammer im KZ Stutthof (5 m lang, 3 m breit und 2,5 m hoch) war ursprünglich für die Entlausung von Kleidung errichtet worden. Hierfür diente sie zeitweise auch, als bereits Menschen in ihr vergast worden sind.
Wie in Auschwitz-Birkenau, so wurde auch hier "Zyklon B" als Tötungsgas verwendet und durch eine kleine Öffnung im Dach der Gaskammer eingefüllt. Vor jeder Vergasung bei kalter Witterung wurde die Gaskammer beheizt, um so die Verdampfung der Blausäure zu beschleunigen. [8] Die ersten Vergasungen in Stutthof fanden am 22. Juni 1944 statt. Zwischen August und November 1944 wurden mehr als 1.450 meist jüdische Frauen vergast. Vereinzelte Vergasungen fanden auch in einem Eisenbahnwaggon statt, der auf einem Nebengleis zum Lager stand. Sämtliche Öffnungen des Wagens waren abgedichtet, das Gas wurde durch das Dach eingebracht. Im frühen November 1944 wurden die Gasmorde in Stutthof eingestellt. Nach Schätzungen wurden mindestens 65.000 Insassen des KZ umgebracht. Wieviele davon durch Vergasen starben, ist nicht bekannt. [9]
Siegfried Joseph wurde im Frühjahr 1942 aus dem Ghetto Riga in das KZ Jungfernhof verschleppt, ein temporäres, behelfsmäßiges Konzentrationslager im Dorf Jumpravmuiža, etwa drei bis vier Kilometer von Riga entfernt, nahe der Bahnstation Škirotava. Der dortige Lagerkommandant, SS-Oberscharführer Rudolf Seck, nutzte jede sich ihm bietende Gelgenheit, Siegfried Joseph brutal zu verprügeln. [10] Im März 1942 wurde das Lager Jungfernhof aufgelöst. Unter einem Vorwand, die Menschen kämen in ein – tatsächlich nicht existierendes – Lager in Dünamünde, wo es angeblich bessere Unterkünfte und eine Arbeitsmöglichkeit in einer Konservenfabrik gebe, wurden zwischen 1600 und 1700 Insassen während der "Aktion Dünamünde" mit Lastwagen in den nahe gelegenen Wald von Bikernieki gebracht. Dort wurden sie (wie zuvor schon Juden aus dem Ghetto von Riga) am 26. März 1942 erschossen und in Massengräbern verscharrt. 450 Insassen wurden zurückbehalten und einem Arbeitskommando zugeteilt. Sie sollten die Spuren des Lagers verwischen und es wieder als Bauernhof tarnen. Dieses Kommando bestand bis Frühjahr 1943. Wer das überlebte, wurde wieder dem Rigaer Ghetto "zugeführt".
Das Ghetto Riga bestand bis November 1943. Die da noch im Ghetto lebenden Menschen wurden in das KZ Kaiserwald im Norden von Riga verschleppt. Aufgrund des Vorrückens der Roten Armee wurde das KZ Kaiserwald im August 1944 aufgelöst, die Gefangen wurden in das KZ Stutthof bei Danzig "evakuiert". Diejenigen, von denen die SS annahm, dass sie die Fahrt nach Stutthof nicht überstehen werden, wurden noch in Riga erschossen. Die als noch "arbeitsfähig" geltenden Männer wurden von Stutthof weiter in das KZ Buchenwald und von dort in einzelne Außenlager von Buchenwald transportiert. Siegfried Joseph überlebte die Hölle der Lager und kehrte nach seiner Befreiung 1945 nach Gelsenkirchen zurück.[11] Er lebte zunächst an der Schwindstraße 18, später Grüner Weg 58.
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