STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

← STOLPERSTEINE Gelsenkirchen

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen ESTHER LIPPERS

GEB. SILBERBERG
JG. 1862
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.7.1943

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen SIEGFRIED ROSENBAUM

JG. 1896
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
ERMORDET

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen SELMA ROSENBAUM

GEB. LIPPERS
JG. 1893
GEDEMÜTIGT/ENTRECHTET
TOT 7.9.1941

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen ILSE ROSENBAUM

JG. 1923
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
ERMORDET

HIER WOHNTE

Stolpersteine Gelsenkirchen WERNER ROSENBAUM

JG. 1930
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
ERMORDET

Verlegeort: Heinrichplatz 1, Gelsenkirchen

Todesfallanzeige aus dem Ghetto Theresienstadt

Abb.1: Als Todesursache wird in der vom Ältestenrat des Ghettos Theresienstadt ausgestellten Todesfallanzeige Esther Lippers "Altersschwäche" angegeben.

Siegfried Rosenbaum, geboren am 5. März 1896 in Dortmund, war seit dem 15. November 1922 mit Selma Lippers, geboren am 21. Oktober 1893 in Hagenau (Elsaß-Lothringen) verhei- ratet.[1] Laut der Einwohnerkartei Gelsenkirchen bezog das Ehepaar einen Tag nach der Hochzeit eine Wohnung am Heinrichplatz 1 in Gelsenkirchen. Im gleichen Haus wohnte bereits seit 1914 auch Selmas Mutter, die Witwe Esther Lippers, geb. Silberberg. Esther Lippers stammte aus Ergste, wo sie am 24. September 1862 geboren wurde. Siegfried und Selma Rosenbaum hatten zwei in Gelsenkirchen geborene Kinder, die am 13. Februar 1923 geborene Ilse und den am 9. September 1930 geborenen Werner.[2]

Selma Rosenbaum starb am 7. September 1941 nach schwerer Krankheit im Marienhospital Gelsenkirchen, Kirchstraße 36. In Selmas Sterbeurkunde [2] wird Siegfrieds Beruf jetzt mit "Tiefbauarbeiter" angegeben, in der "Wahlliste vom 16. November 1930 zur Gründung der liberalen jüdischen Synagogengemeinde" ist als Beruf noch "Geschäftsführer" angegeben. Es ist davon auszugehen, das auch Siegfried Rosenbaum durch verordnete Zwangsarbeit im Tiefbau ausgebeutet wurde. Deutsche und staatenlose Juden wurden von der deutschen Arbeitsverwaltung im so genannten "Dritten Reich"- nachdem ihnen durch Berufsverbote die freiwillige Aufnahmemöglichkeit von Arbeit eingeschränkt worden war, zunächst im Rahmen des so genannten "geschlossenen Arbeitseinsatzes" ausgebeutet. Zwischenzeitlich war Siegfried Rosenbaum laut der Angabe im Gelsenkirchener Adressbuch (Ausgabe 1939) als Vertreter tätig, Juden war jedoch bereits ab dem 6. Juli 1938 die Ausübung eines Wandergewerbes per Gesetz verboten. (Die Adressbuch-Ausgabe 1939 hatte im Ablauf des Jahres 1938 Redaktionschluss, sodaß die Ausgabe 1939 nicht in dem Sinne aktuell ist.) Ab Ende 1938 wurde eine Arbeitspflicht für die in Erwerbslosigkeit getriebenen Juden eingeführt, die im Frühjahr 1940 zum Arbeitszwang für alle Juden ausgedehnt wurde.

Am 31. März 1942 rollte der zweite "Sammeltransport" mit jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus Gelsenkirchen in Richtung Osten. Auch Siegfried Rosenbaum und seine beiden Kinder mussten diesen Zug besteigen.[3] Bestimmungsort der Menschenfracht war zunächst das Ghetto Warschau. Planmäßig um 12:12 Uhr verließ der ab Gelsenkirchen eingesetzte Transportzug der Deutschen Reichsbahn mit dem Kürzel "Da 6" am 31. März 1942 mit 52 Gelsenkirchener Juden die Stadt. Ein Waggon war für das Begleitkommando der Schutzpolizei bestimmt. In Münster wurden weitere 400, in Hannover 500 und Braunschweig 116 Juden in den Zug gezwungen. Am Morgen des 1. April 1942 erreichte der Zug das Ghetto Warschau. Seither fehlt von Siegfried, Ilse und Werner Rosenbaum jedes Lebenszeichen.

Esther Lippers wurde kurz vor ihrer Deportation aus ihrer Wohnung am Heinrichplatz 1 vertrieben und in eines der so genannten "Judenhäuser" Gelsenkirchens an der Augustastr. 7 eingewiesen [4] und von dort am 27. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert [5]. Dort starb sie, angeblich an "Altersschwäche", am 29. Juli 1943.

Auch die Lebens- und Leidenswege der Familie Rosenbaum lassen sich nur lückenhaft anhand der wenigen erhaltenen Dokumente der NS-Verfolgungsbehörden rekonstruieren. Vom zunehmenden Verfolgungsdruck, von den Ängsten, Sorgen und Nöten der verfolgten, entrechteten und gedemütigten Menschen berichten diese Dokumente jedoch nicht. Sie erzählen nichts über zerstörte Zukunftspläne, nichts von dem unermesslichen Leid das die Menschen ertragen mussten, bis sie schließlich von den Handlangern des Nazi-Regimes ermordet wurden.

Nicht für immer verloren

Die Patenschaften für die Stolpersteine, die an Familie Rosenbaum und Esther Lippers erinnern, hat Klaus Brandt übernommen. Er war es auch, der uns auf die Menschen aufmerksam gemacht hat, die aus dem Haus Heinrichplatz 1 von deutschen Faschisten den Tod verschleppt wurden. Die Kulturwissenschaftlerin Dora Osborne über Gunter Demnigs Kunstprojekt gegen das Vergessen: "Die Verlegung der Stolpersteine ist ein Akt des Archivierens, des Archivierens der Geschichte, die nur noch aus Asche und Staub besteht. Die Biografien der Menschen wären niemals recherchiert worden und somit für immer verloren gewesen."

Quellen:
Abb.1: Todesfallanzeige Esther Lippers, Orginaldokument in Nationalarchiv Prag
ITS Digital Archive, Bad Arolsen, Bestand Reichsvereinigung der Juden (Kartei), Selma Rosenbaum: https://digitalcollections.its-arolsen.org/01020401/name/pageview/745216/504946 (Abruf Feb. 2018)
[1] Sterbeurkunde Selma Rosenbaum, StA/ISG Gelsenkirchen
[2, 4] Einwohnerkartei, StA/ISG Gelsenkirchen
[3] Gemeindelisten über jüdische Residenten / Gelsenkirchen, 1.2.5.1 / 12852530, ITS Bad Arolsen
[5] Listenmaterial verschiedene Lager, 1.1.47.1 / 5174729 ITS Bad Arolsen

Stolpersteine für Familie Siegfried Rosenbaum und Esther Lippers, verlegt am 23. Mai 2018

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Siegfried Rosenbaum und Esther Lippers Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Siegfried Rosenbaum und Esther Lippers Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Siegfried Rosenbaum und Esther Lippers

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Siegfried Rosenbaum und Esther Lippers


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen, Februar 2018. Nachtrag 25. Mai 2018

↑ Seitenanfang