Abb.1: Als Todesursache wird in der vom Ältestenrat des Ghettos Theresienstadt ausgestellten Todesfallanzeige Esther Lippers "Altersschwäche" angegeben.
Siegfried Rosenbaum, geboren am 5. März 1896 in Dortmund, war seit dem 15. November 1922 mit Selma Lippers, geboren am 21. Oktober 1893 in Hagenau (Elsaß-Lothringen) verhei- ratet.[1] Laut der Einwohnerkartei Gelsenkirchen bezog das Ehepaar einen Tag nach der Hochzeit eine Wohnung am Heinrichplatz 1 in Gelsenkirchen. Im gleichen Haus wohnte bereits seit 1914 auch Selmas Mutter, die Witwe Esther Lippers, geb. Silberberg. Esther Lippers stammte aus Ergste, wo sie am 24. September 1862 geboren wurde. Siegfried und Selma Rosenbaum hatten zwei in Gelsenkirchen geborene Kinder, die am 13. Februar 1923 geborene Ilse und den am 9. September 1930 geborenen Werner.[2]
Selma Rosenbaum starb am 7. September 1941 nach schwerer Krankheit im Marienhospital Gelsenkirchen, Kirchstraße 36. In Selmas Sterbeurkunde [2] wird Siegfrieds Beruf jetzt mit "Tiefbauarbeiter" angegeben, in der "Wahlliste vom 16. November 1930 zur Gründung der liberalen jüdischen Synagogengemeinde" ist als Beruf noch "Geschäftsführer" angegeben. Es ist davon auszugehen, das auch Siegfried Rosenbaum durch verordnete Zwangsarbeit im Tiefbau ausgebeutet wurde. Deutsche und staatenlose Juden wurden von der deutschen Arbeitsverwaltung im so genannten "Dritten Reich"- nachdem ihnen durch Berufsverbote die freiwillige Aufnahmemöglichkeit von Arbeit eingeschränkt worden war, zunächst im Rahmen des so genannten "geschlossenen Arbeitseinsatzes" ausgebeutet. Zwischenzeitlich war Siegfried Rosenbaum laut der Angabe im Gelsenkirchener Adressbuch (Ausgabe 1939) als Vertreter tätig, Juden war jedoch bereits ab dem 6. Juli 1938 die Ausübung eines Wandergewerbes per Gesetz verboten. (Die Adressbuch-Ausgabe 1939 hatte im Ablauf des Jahres 1938 Redaktionschluss, sodaß die Ausgabe 1939 nicht in dem Sinne aktuell ist.) Ab Ende 1938 wurde eine Arbeitspflicht für die in Erwerbslosigkeit getriebenen Juden eingeführt, die im Frühjahr 1940 zum Arbeitszwang für alle Juden ausgedehnt wurde.
Am 31. März 1942 rollte der zweite "Sammeltransport" mit jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus Gelsenkirchen in Richtung Osten. Auch Siegfried Rosenbaum und seine beiden Kinder mussten diesen Zug besteigen.[3] Bestimmungsort der Menschenfracht war zunächst das Ghetto Warschau. Planmäßig um 12:12 Uhr verließ der ab Gelsenkirchen eingesetzte Transportzug der Deutschen Reichsbahn mit dem Kürzel "Da 6" am 31. März 1942 mit 52 Gelsenkirchener Juden die Stadt. Ein Waggon war für das Begleitkommando der Schutzpolizei bestimmt. In Münster wurden weitere 400, in Hannover 500 und Braunschweig 116 Juden in den Zug gezwungen. Am Morgen des 1. April 1942 erreichte der Zug das Ghetto Warschau. Seither fehlt von Siegfried, Ilse und Werner Rosenbaum jedes Lebenszeichen.
Esther Lippers wurde kurz vor ihrer Deportation aus ihrer Wohnung am Heinrichplatz 1 vertrieben und in eines der so genannten "Judenhäuser" Gelsenkirchens an der Augustastr. 7 eingewiesen [4] und von dort am 27. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert [5]. Dort starb sie, angeblich an "Altersschwäche", am 29. Juli 1943.
Auch die Lebens- und Leidenswege der Familie Rosenbaum lassen sich nur lückenhaft anhand der wenigen erhaltenen Dokumente der NS-Verfolgungsbehörden rekonstruieren. Vom zunehmenden Verfolgungsdruck, von den Ängsten, Sorgen und Nöten der verfolgten, entrechteten und gedemütigten Menschen berichten diese Dokumente jedoch nicht. Sie erzählen nichts über zerstörte Zukunftspläne, nichts von dem unermesslichen Leid das die Menschen ertragen mussten, bis sie schließlich von den Handlangern des Nazi-Regimes ermordet wurden.
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