STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

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HIER WOHNTE

Verlegeort WALTER LEVIE

JG. 1899
FLUCHT 1935 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ZWANGSARBEIT MONOWITZ
ERMORDET 12.1.1944

HIER WOHNTE

Verlegeort ERNST LEVIE

JG. 1931
FLUCHT 1935 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 17.9.1943

HIER WOHNTE

Verlegeort MALKE LEVIE

GEB.POMERANZBLUM
JG. 1898
FLUCHT 1935 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 17.9.1943

Verlegeort: Knappschaftshof 1

Der Schuhmacher Walter Levie, geboren am 1. Oktober 1899 in Gelsenkirchen [1], war mit der in Staszow am 14. Juli 1898 geborenen Malke Pomeranzblum verheiratet. Das Ehepaar Levie hatte einen Sohn, den am 6. Juni 1931 in Gelsenkirchen geborenen Ernst. [2]

Familie Levie floh im Dezember 1935 aus Nazideutschland in das vermeintlich sichere Holland, Datum der Abmeldung lt. Hausstandsbuch war der 4. Dezember 1935.[3] Noch im Februar 1941 lebte Familie Levie in Amsterdam, Govert Flinckstraat 367 I [3]. Doch nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande im Mai 1941 begann unter der deutschen Gewaltherrschaft auch dort die Verfolgung jüdischer Menschen. In der Folgezeit wurde auch Walter Levie verhaftet, er wird Anfang Oktober 1942 in Westerbork registriert, Frau und Sohn am 6. Dezember 1942. Bis Mitte September 1943 bleibt die Familie Levie in Westerbork interniert, dann erfolgt ihr Abtransport nach Auschwitz.

Zugtafel Westerbork-Auschwitz

Abb.1: Zugtafel Westerbork-Auschwitz, Auschwitz-Westerbork

Die Deportationstransporte verließen Westerbork nach einem festen Fahrplan zumeist an einem Dienstag, so wurde auch Familie Levie mit einem der Massentransporte per Güterzug am Diens- tag, dem 14. September 1943 von Westerbork, dem zentralen Judensammellager für die Niederlande, in das deutsche Vernichtungslager Auschwitz im besetzten Polen transportiert. Die Züge erreichten Freitags in der Nacht Auschwitz, entluden ihre zur Vernichtung bestimmte Menschenfracht, fuhren zurück nach Westerbork um dann am folgenden Dienstag erneut mit zur Vernichtung bestimmten Menschen beladen nach Auschwitz zu rollen.

Am 14. September 1943 verläßt ein Transport mit 1005 Juden, darunter 119 Kinder und 245 alte Menschen, das "Polizeiliche Durchgangslager" Westerbork, Zielort ist das Vernichtungslager Auschwitz, in diesem Transport befand sich auch Familie Levie. Der Transport erreicht Auschwitz am 16. September 1943. Nach der Selektion werden 194 Frauen und 233 Männer in das Lager eingewiesen, 578 Menschen werden unmittelbar nach der Ankunft in den Gaskammern getötet - unter den Ermordeten waren auch Malke Levie und Sohn Ernst. Walter Levie "durfte" zunächst weiterleben, er wurde zur Ableistung von Sklavenarbeit im Arbeitslager Monowitz bestimmt. Es war das erste Arbeitslager, welches vollständig von einem privaten Industrieunternehmen, der I.G. Farben, geplant und finanziert wurde.

Zur Behandlung kranker Häftlinge des KZ Buna/Monowitz wurde beim Aufbau des Lagers ab Oktober 1942 der „Häftlingskrankenbau“ (HKB) eingerichtet. Die medizinische Versorgung der Häftlinge war höchst ungenügend, da es kaum Material und Medikamente gab. Im HKB gab es Selektionen. Der HKB bestand bis zur Räumung des Lagers am 18. Januar 1945. Walter Levie befand sich vom 9. November 1943 bis zum 24. November 1943 im "Krankenbau" von Monowitz-Buna [4] (Auschwitz III, Nebenlager Buna (bis 01.12.1943), danach Arbeitslager Monowitz) [5]. Der Grund seiner Aufnahme ist derzeit nicht bekannt.[6] Die Lebenserwartung im Lager Monowitz betrug selten mehr als 3 Monate, da die harte Arbeit, die Mangelernährung sowie die schlechten hygienischen Bedingungen zum geplanten Ziel, nämlich "Vernichtung durch Arbeit" führten. Walter Levie wurde am 12. Januar 1944 ermordet.

An die Stelle fehlender Zeitzeugen und Quellen treten auch bei Familie Levie Karteikarten aus der Kartothek des "Judenrats" in Amsterdam. Der „Judenrat Amsterdam“ (Joodsche Raad voor Amsterdam) war eine Einrichtung der deutschen Besatzungsmacht zwischen Februar 1941 und September 1943. Die Mitglieder des "Judenrates" wurden gezwungen, sich an der Verfolgung und Unterdrückung niederländischer Juden und ausländischer jüdischer Flüchtlinge (überwiegend aus Deutschland) zu beteiligen.

Walter Levie, Kartothek des Judenrats in Amsterdam, Arolsen Archives

Malke Levie, Kartothek des Judenrats in Amsterdam, Arolsen Archives

Ernst Levie, Kartothek des Judenrats in Amsterdam, Arolsen Archives

Abb. 2-4: Diesen Karteikarten wohnt der Prozess der Entmenschlichung und Vernichtung inne.

Quellen:
Abb.1: Memorial and Mueum Auschwitz-Birkenau, http://auschwitz.org/en/gallery/historical-collection/extermination,2.html (Abruf 12/2020)
Abb.2: Arolsen Archives, Karteikarten aus der Kartothek des Judenrats in Amsterdam, Walter Levie, 01020402
Abb.3: ebda., Malke Levie, 130332151
Abb.4: ebda., Ernst Levie, 130331846 (Abb. 2-4 Abruf 12/2020)

[1] Amsterdam Stadtarchiv in Amsterdam, Miliz Aufzeichnungen Teil: 4430, Zeitraum: 1827-1940, Amsterdam, Archiv 5182, Inventar­Nummer 4430, 1. Oktober 1899, Militieregisters
[2] Joods Monument https://www.joodsmonument.nl/nl/page/203100/walter-levie (Abruf 12/2020)
[3] Haustandsbücher u. Meldekartei Gelsenkirchen, Stadtarchiv Gelsenkirchen/ISG
[4] Joods Monument https://www.joodsmonument.nl/nl/page/203100/walter-levie (Abruf 12/2020)
[5] Siehe umfassend: http://www.wollheim-memorial.de/de/der_haeftlingskrankenbau_im_kz_bunamonowitz_geschichte_und_aufbau (Abruf 12/2020)
[6] Arolsen Archives, Karteikarte Walter Levie, 01020402

Stolpersteine für Walter, Malke und Ernst Levie, verlegt am 18. Juni 2021

Zahlreich waren LehrerInnen, SchülerInnen (Klasse 8.1) und Ehemalige der Gesamtschule Berger Feld vor Ort erschienen, als am Knappschaftshof die Stolpersteine für Familie Walter Levie ins Pflaster eingelassen wurden. Hatten sie doch die Patenschaften und damit die Finanzierung für dieser drei Erinnerungszeichen übernommen. Die Jugendlichen gestalteten mit ihren Beiträgen die kleine Zeremonie aktiv mit. Vor allem für die jüngere Generation, für die der Holocaust immer weiter wegrückt, bieten Stolpersteine einen besonderen Zugang zur Geschichte. Abstrakte Opferzahlen in Millionenhöhe werden auf diese Weise individualisiert und in einen lokalen, zeithistorischen Kontext gerückt. Mit der erschütternden und aufklärenden Wirkung der Stolpersteine kehren Namen zurück und gewaltsam genommene Lebenswelten werden sichtbar gemacht.

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Walter Levie Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Walter Levie Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Walter Levie

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Walter Levie

Stolpersteine Gelsenkirchen - Familie Walter Levie


Biografische Zusammenstellung: Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. 1/2021

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