STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

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HIER WOHNTE

Verlegeort FEIBISCH ROSENBERG

JG. 1860
'POLENAKTION' 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
1941 GHETTO LODZ
ERMORDET
FÜR TOT ERKLÄRT

HIER WOHNTE

Verlegeort JOSEF ROSENBERG

JG. 1898
ABGESCHOBEN 21.8.1939
POLEN
ERMORDET
FÜR TOT ERKLÄRT

HIER WOHNTE

Verlegeort CHANA ROSENBERG

GEB. SCHEINER
JG. 1861
FLUCHT 1939
MIT HILFE
BELGIEN
FRANKREICH
VERSTECKT GELEBT
BEFREIT
TOT AN DEN FOLGEN
19.5.1945

Verlegung geplant Mai 2025, Verlegeort: Ringstr. 48, 45888 Gelsenkirchen

Feibisch Rosenberg

wurde am 25.12.1860 in Rozniatow geboren. Am 10.09.1921 kam er zusammen mit seiner Frau Chana und den Kindern Wolf und Malka von Hamborn nach Gelsenkirchen in die Schalker Straße 22. Dort lebte bereits ihr Sohn Julius1 und betrieb ein Möbelgeschäft.2 Zum Aufenthalt der Familie in Hamborn ist nichts bekannt, weil die Hamborner Meldeunterlagen aus dieser Zeit nicht mehr erhalten sind.3 Am 21.06.1926 zog die Familie in die Ringstraße 48.4

Am 15.11.1938 wurde Feibisch Rosenberg im Rahmen der sogenannten „Polenaktion“ nach Bentschen in Polen deportiert.5 Von dieser Maßnahme waren viele Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit betroffen, unter anderem auch Paula Orlean aus Dortmund. Zu diesem Zeitpunkt war Feibisch Rosenberg bereits 77 Jahre alt. Im Hausstandsbuch steht hinter seinem Namen der Vermerk „nach Polen (amtlich)“.6

Zunächst lebte er in Sosnovice. Sein Sohn Josef schickte ihm von Gelsenkirchen einen Waggon mit seinem zurückgelassenen Hausrat nach, doch der wurde an der polnischen Grenze von deutschen Zollbeamten nicht freigegeben, weil angeblich die erforderlichen Dokumente fehlten.7 Der Inhalt des Waggons blieb für immer verschwunden, legaler Raub. Sein Sohn Josef und seine ebenfalls abgeschobene Schwiegertochter Emilie unterstützten ihn, so gut wie möglich. Ihm gegenüber hat sich Feibisch Rosenberg über das Ausbleiben der avisierten Geldanweisungen seiner Kinder beschwert.8 Er konnte ja nicht wissen, dass seine Kinder aufgrund von Sicherungsanordnungen so gut wie gar nicht mehr über ihr Vermögen verfügen konnten. Dass der deutsche Staat dabei war, ihn und seine Familie ganz legal auszuplündern, war für ihn schlichtweg unvorstellbar.

In den Jahren 1941 und 1942 hat Feibisch Rosenberg im Ghetto von Lodz gelebt.9 Von da an verliert sich seine Spur. Nach 1945 wurde er vom Amtsgericht Gelsenkirchen für tot erklärt, als Todestag wurde der 31.12.1945 festgelegt.10

1: ISG Gelsenkirchen, Melderegister
2: LAV Münster, Q 115a Landgericht Münster Wiedergutmachungsklagen Nr. 1190, Blatt 42
3: Auskunft Stadtarchiv Duisburg
4: ISG Gelsenkirchen, Hausstandsbuch Ringstraße 48
5: LAV Münster, Regierung Münster, Wiedergutmachungen Nr. 11258 Blatt 19
6: siehe 4
7: LAV Münster, Regierung Münster, Wiedergutmachungen Nr. 11257 Blatt 44
8: LAV Münster Q121 Landgerichte Rückerstattungen Nr. 12935, Blatt 81
9: LAV NRW, Münster, K 104/Regierung Münster, Wiedergutmachungen, Nr. 11258, Blatt 19
10: LAV Münster, Q 115a Landgericht Münster Wiedergutmachungsklagen Nr. 1190, Blatt 42

Chana Rosenberg, geb. Scheiner

wurde am 24.11.1861 in Solotowina geboren. Zusammen mit ihrem Ehemann Feibisch und ihren Kindern Julius, Josef und Malka lebte sie in Gelsenkirchen in der Ringstraße 48.1 Im Rahmen der Polenaktion im Oktober 1938 wurde ihr Ehemann nach Polen abgeschoben, sie selbst konnte zunächst in Gelsenkirchen bleiben und war auf die Unterstützung ihrer Söhne angewiesen. Zusammen mit ihrem Sohn Julius wurde sie am 03.06.1939 in das Judenhaus in der Von-der-Recke-Straße 4 und kurze Zeit später am 03.08.1939 in ein weiteres Judenhaus in der Von-Scheubner-Richter-Str. 54 (vor 1933 Ringstraße) eingewiesen.2 In der verbliebenen Zeit konnte Julius noch ein Besuchervisum für seine Mutter nach Frankreich organisieren.3 Am 21.08.1939, kurz vor Kriegsbeginn, wurde sie von Alexe Kemming, der Kontoristin ihres Sohnes, sicher über die belgische Grenze mit Ziel in Paris gebracht, ein Besuch ohne Rückkehr. Später wurde in das Hausstandsbuch fälschlicherweise der Vermerk „nach Polen (amtlich)“ eingefügt.4

In Paris lebte sie in der 131 Rue St. Denis zusammen mit ihrer Tochter Malka Orlean, geb. Rosenberg, ihrem Schwiegersohn Jakob und ihrer Enkelin Éliane. Nach dem deutschen Einmarsch zog die Familie nach Agen in den nichtbesetzten Teil Frankreichs. Als nach der Verhaftung ihres Schwiegersohnes Jakob die Lage für den Rest der Familie immer bedrohlicher wurde, fand Chana Rosenberg unter falschem Namen Zuflucht in einem katholischen Kloster. Um nicht als Jüdin aufzufallen, musste sie wie eine Katholikin am regulären Klosterleben teilnehmen. Die jüdischen Sabbat- und Essensregeln konnte sie dabei nicht einhalten, worunter sie als gläubige Jüdin sehr gelitten hat.5 Sie überlebte die deutsche Besatzungszeit, starb aber aus Kummer über das Schicksal ihrer Familie kurz nach Kriegsende am 19.05.1945 im Kloster in Agen.6

1: ISG Gelsenkirchen, Hausstandsbuch Ringstraße 48
2: Auskunft ISG Gelsenkirchen
3: LAV NRW, Münster, K 104/Regierung Münster, Wiedergutmachungen, Nr. 11258, Blatt 19
4: siehe 2
5: LAV NRW, Münster, K 104/Regierung Münster, Wiedergutmachungen, Nr. 10121, Blatt 7
6: LAV NRW, Münster, K 104/Regierung Münster, Wiedergutmachungen, Nr. 11257, Blatt 17

Josef Rosenberg

wurde am 07.01.1898 in Rosulna geboren. In Gelsenkirchen betrieb er zusammen mit seinem Bruder Julius ab 1921 ein Möbelgeschäft in der Schalker Straße 22.1 Seinen Wohnsitz hatte er zunächst noch in Herne, wo er auch ein „Spezial-Möbelhaus“ in der Bahnhofstraße 62 unterhielt.2 Mehr ist im Stadtarchiv Herne über ihn und sein Geschäft nicht überliefert.3

Die Brüder Juda und Josef Rosenberg eröffnen am 20. April 1921 ihr Spezial-Möbelhaus an der Schalkerstr. 22 in Gelsenkirchen.

Abb.: Die Brüder Juda und Josef Rosenberg eröffnen am 20. April 1921 ihr Spezial-Möbelhaus an der Schalkerstr. 22 in Gelsenkirchen, ab 1934 wurde das Geschäft zum Wiehagen 1/Ecke Bochumer Straße verlegt.

Am 29.9.1931 zog er nach Gelsenkirchen in die Ringstraße 48, wo auch seine Eltern und seine Geschwister Julius und Malka lebten.4 Gemeinsam mit seinem Bruder Julius betrieb er später ein Möbelgeschäft am Alten Markt 11-13 und zuletzt im Wiehagen 1.

Im Gelsenkirchener Adressbuch von 1924/25 und 1927 ist die Firma als „Spezial-Möbelhaus Gebr. Rosenberg“ eingetragen.5 In der Schalker Vereinszeitung vom Mai 1932 findet sich die Kleinanzeige „Ihre Möbel kaufen Sie sehr preiswert bei Gebrüder Rosenberg, Ecke Alter Markt“.6 Im Adressbuch von 1934 taucht zum ersten Mal das „Spezial-Möbelhaus am Wiehagen 1, Ecke Bochumer Str.“ auf.

Josef Rosenberg war mit Emilie Schumer aus Essen verlobt. Sie kam ebenfalls aus einem jüdischen Elternhaus mit polnischen Wurzeln. Im Rahmen der Polenaktion wurde sie am 28.10.1938 nach Polen abgeschoben und dort in ein polnisches Sammellager in Sbondczyn gebracht.7 Anders als sein Vater Feibisch war Josef von der Polenaktion nicht betroffen.8 Im Dezember 1938 folgte er ohne behördlichen Zwang seiner Verlobten ins Lager - was für ein Liebesbeweis! Dort heirateten die beiden und blieben für insgesamt acht Monate in Sbondczyn. Während dieser Zeit fuhr er noch einmal kurz nach Gelsenkirchen zurück, um den elterlichen Haushalt aufzulösen. In einer Postkarte an seine Schwester Malka in Paris schilderte er, wie schwierig es war, sich unter diesen schwierigen Bedingungen um den Vater Feibisch zu kümmern.9

Kurz vor Kriegsbeginn wurden die Eheleute Rosenberg in das Landesinnere nach Sosnovice gebracht, wo sie den Einmarsch der deutschen Truppen erlebten. Von da an mussten sie den Judenstern tragen. Als Julius Rosenberg Ende Dezember 1939 aufgefordert wurde, sich bei einer deutschen Dienststelle zu melden, begleitete ihn seine Frau nach dorthin. Zusammen mit vielen anderen wurde er von der Sammelstelle abtransportiert, zu einem Arbeitseinsatz, wie es hieß. Das war der Augenblick, in dem Emilie Rosenberg ihren Mann Josef zum letzten Mal gesehen hat. All ihre Versuche, irgendetwas über seinen Verbleib in Erfahrung zu bringen, schlugen fehl.10

Emilie Rosenberg hat den Holocaust überlebt und wieder geheiratet.

Nach 1945 wurde Josef Rosenberg vom Amtsgericht Gelsenkirchen für tot erklärt, als Todestag wurde der 8.5.1945 festgelegt.

Anmerkung zu den Meldedaten:
Josef Rosenberg hat Gelsenkirchen im Dezember 1938 in Richtung Polen verlassen, was durch die Berichte seiner Witwe und durch seine Postkarten aus Polen eindeutig belegt ist. Nach dem Gelsenkirchener Melderegister hat er aber zusammen mit seinem Bruder Julius bis 1939 in zwei Judenhäusern gelebt und zuletzt den Vermerk „nach Polen (amtlich)“ erhalten. Der gleiche Vermerk findet sich aber auch bei seiner Mutter, obwohl sie zweifelsfrei in Paris angekommen ist. Wie diese falschen Einträge zustande gekommen sind, ist unklar. Vermutlich sind sie erst nachträglich und ohne weitere Überprüfungen vorgenommen worden.

1: LAV Münster, Q 115a Landgericht Münster Wiedergutmachungsklagen Nr. 1190, Blatt 42
2: StArch Herne, Adressbücher 1926 und 1929
3: Auskunft Stadtarchiv Herne
4: ISG Gelsenkirchen, Hausstandsbuch Ringstr. 48
5: ISG Gelsenkirchen, Adressbücher 1924/25 und 1927
6: Schalke 04: „Spurensuche – Jüdische Schicksale auf Schalke“, Druck: Kiess & Makossa Mediengruppe, Gelsenkirchen ohne Datumsangabe, Seite 75
7: LAV Münster, Regierung Münster, Wiedergutmachungen Nr. 10755 Blatt 40
8: LAV Münster Q121 Landgericht Münster Rückerstattungen Nr. 12935, Blatt 96
9: LAV Münster Q121 Landgericht Münster Rückerstattungen Nr. 12935, Blatt 83+84
10: siehe 7

Recherche und Text: FC Schalke, der Verein hat die Patenschaften und damit auch die Finanzierung der drei Stolpersteine für Feibisch, Chana und Josef Rosenberg übernommen.


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen, 4/2024

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